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Das Böse in dir

Titel: Das Böse in dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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der hereinkam, war hoch gewachsen, dunkelhaarig, ja, sogar respekteinflößend. Nachdem er uns, wie ich feststellen muss, ziemlich streng gemustert hatte, schloss er die Tür. Dann sah er uns wieder finster an, und zwar die ganze Zeit, während er den Raum durchquerte. Ja, schon verstanden. Du bist sauer. Wir haben es gewagt, einen wichtigen Mann zu stören, und werden nun mit verschärft unfreundlichem Blicken und hochgezogenen Augenbrauen bestraft.
    »Ich bin Joseph Murphy. Wie kann ich Ihnen helfen, Detectives? Da ich momentan sehr beschäftigt bin, kann ich Ihnen nicht viel meiner Zeit opfern.«
    Das mochte durchaus sein, doch wenn mich nicht alles täuschte, würde ihm dieser Spruch ziemlich bald im Hals stecken bleiben. »Ich bin Detective Claire Morgan vom Sheriff’s Department in Canton County, und das ist mein Partner Detective Bud Davis.«
    »Wer Sie sind, weiß ich von Ms Winters.« Mr Murphy schüttelte uns nicht die Hand. Im nächsten Moment hielt er inne. Ja, natürlich, er hatte unsere Namen erkannt. Für einen arroganten Mistkerl war er ziemlich leicht durchschaubar. Er sah mich an. »Sie sind doch die Polizistin von drunten am See, die es immer wieder schafft, dem Tod von der Schippe zu springen?«
    Nun, so kann man es auch ausdrücken. Natürlich ist das nicht meine bevorzugte Personenbeschreibung, aber Schwamm drüber. Auch wenn er die Lage recht gut zusammengefasst hatte, teilte ich bereits Debbies stillschweigende Einschätzung dieses Witzbolds. Wenn Bud und ich uns auf einer traurigen Mission wie dieser befanden, bemühten wir uns so lange wie möglich um eine entspannte Atmosphäre, um nicht daran denken zu müssen, was uns bei der Begegnung mit den Eltern eines Mordopfers bevorstand. Doch nun waren wir hier, und ganz gleich, ob wir diesen Mann nun mochten oder nicht, war der Zeitpunkt gekommen, ernst zu werden und den nötigen Respekt an den Tag zu legen.
    »Mr Murphy, vielleicht sollten Sie sich besser setzen. Ich fürchte, wir haben sehr schlechte Nachrichten.«
    »Oh, mein Gott, ist etwas mit Mary Fern? Ist ihr etwas zugestoßen?«
    Vermutlich war das der Name seiner bedauernswerten Gattin. »Es geht um Ihren Sohn Michael, Sir.«
    »Mikey?« Seine besorgte Miene wurde rasch von Zorn abgelöst, so rasch, dass ich kaum noch mithalten konnte. »Was hat er denn jetzt schon wieder angestellt, verdammt?«
    Eigentlich wollte er es nicht wirklich wissen. Er wollte auch nicht den erbosten Vater spielen. Nur, dass er das noch nicht ahnte.
    »Warum setzen Sie sich nicht, Mr Murphy?«, schlug Bud vor.
    »Ich will mich aber nicht setzen, verdammte Scheiße. Warum ist Mikey diesmal verhaftet worden? Los, raus mit der Sprache. Ich sagte doch schon, dass ich sehr beschäftigt bin.«
    Oh, jetzt auch noch das böse S-Wort, und das in den geheiligten Hallen des Kapitols. Kurz starrte ich ihn entgeistert an. »Ihr Sohn ist tot, Mr Murphy«, sagte ich dann. »Wir haben ihn gestern Abend in Osage Beach an einem Brückenpfeiler hängend aufgefunden. Bis jetzt müssen wir davon ausgehen, dass er sich das Leben genommen hat. Es tut mir sehr leid.«
    Murphy erwiderte erst eine, dann zwei Sekunden meinen Blick und sah dann Bud an, der nickte. Murphy schüttelte langsam den Kopf. »Was reden Sie da? Mikey ist nicht tot. Nein, ich glaube Ihnen kein Wort.«
    »Mir ist klar, dass es ein ziemlicher Schock sein muss, Sir«, erwiderte ich. »Bitte setzen Sie sich. Dann erzählen wir Ihnen, was wir über den Tod Ihres Sohnes wissen.«
    »Mikey ist nicht tot. Er kann nicht tot sein.«
    Bud und ich betrachteten ihn. Wir hatten diese Prozedur schon öfter hinter uns gebracht, als uns lieb war. Schweigend beobachteten wir, wie sich die schreckliche Erkenntnis und Entsetzen in seinen dunklen Augen malten. Beim Anblick des tiefen Schmerzes in seinem faltigen und stark sonnengebräunten Gesicht zuckte ich zusammen. Wie gut erinnerte ich mich noch an den Tag, die Stunde, den schwersten Moment meines ganzen Lebens, als ich in einer Notaufnahme in Los Angeles gestanden hatte. Gerade hatte man mir eine ähnliche Nachricht überbracht, die meinen kleinen Sohn Zachary betraf. Ich schluckte, spürte, wie sich meine Bauchmuskeln verkrampften, und drängte die Trauer gewaltsam zurück, ganz tief in eine muffige, düstere Ecke meines Verstandes, wo ich sie wegsperrte, wie ich es im Laufe der Jahre gelernt hatte. Ich wusste genau, was Joseph Murphy empfand, wollte jedoch weder daran denken, noch es wieder durchleben.
    Ich sah zu, wie er auf

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