Das Böse in dir
die Hand übers Telefon, nur für den Fall, dass er eine peinliche Bemerkung über Black und mich machen würde. »Was ist? Ich telefoniere«, sagte ich.
»Ich liefere die Bürste bei Buck ab. Dann kannst du die Nacht irgendwo hier mit Black verbringen und morgen mit den Eltern sprechen. Mit dieser Methode sparst du dir die Hinundherfahrerei. Vielleicht hat Buck die Ergebnisse ja bis morgen Mittag. Dann kannst du die Eltern benachrichtigen, wenn du ohnehin schon in Branson bist.«
»Ich Glückskind. Du willst dich nur drücken.«
»Da kann ich dir nicht widersprechen.«
»Ich denke, das müsste klappen, auch wenn ich nicht glaube, dass Buck genug Zeit für den Haarvergleich haben wird. Ich frage Black, was er davon hält.« Ich hob das Telefon wieder ans Ohr. »Hast du Lust, mit mir in Branson zu übernachten und mich morgen zu dem Gespräch mit den Eltern des Mädchens zu fahren?«
»Ich habe gehofft, dass du so etwas vorschlagen würdest. Insbesondere den ersten Teil.«
Ich lächelte, denn ich hatte ihn auch vermisst. »Hast du am Vormittag keine wichtigen Sitzungen?«
»Nichts, was sich nicht verschieben ließe. Ist Jules Verne bei Harve?«
»Ja. Offenbar fehlt dir der Hund mehr als ich.«
»Nun, er leckt mir das Gesicht ab. Und andere Stellen.«
»Ich etwa nicht?«
Als Black auflachte, klang es unverschämt sexy. »Schau, was du mit mir machst. Wo soll ich dich abholen?«
»Vermutlich landest du am besten auf dem Flughafen Springfield-Branson. Wir müssen ein Auto mieten. Oder wir übernachten in Springfield und fahren morgen nach Branson. Es ist schon spät, und die Fahrt dauert nur eine halbe Stunde.«
»Gut. Dann soll Bud dich am Flughafen absetzen. Aber am General Aviation Complex neben dem Terminal. Ich bin in zwanzig Minuten da.«
Ich klappte das Telefon zu. »Okay, Bud, wir haben etwa zehn Minuten, um Dummerchen Dee da draußen zu befragen. Dann kannst du mich zum Flughafen bringen und mit meinem Auto nach Hause fahren. Ich hole es morgen ab, wenn ich zurück bin.«
Bud nickte. »Mann, das mit Li He geht mir genauso nah wie dir. Sie hat so etwas an sich. Hoffentlich ist sie nicht unser Opfer. Sie sieht viel zu jung und unschuldig aus, um so zu sterben.«
»Ja.« Allerdings sagte mir mein Bauch, dass sie es war. Nun brauchten wir nur noch den Grund herauszufinden. Und welches Ungeheuer fähig war, ein armes, harmloses neunzehnjähriges Mädchen bei lebendigem Leibe zu braten.
Mein Name ist Trouble
Nach Lotus’ Selbstmord tat Tee sein Bestes, um genauso erschüttert zu wirken wie die anderen Jugendlichen in seiner Gruppe. Doch obwohl er eine preisverdächtige Vorstellung hinlegte, empfand er nicht die Spur von Reue. Es war reine Dummheit von ihr gewesen, sich umzubringen, nur weil er es mit ihr getrieben hatte. Auch wenn sie beim ersten Mal keinen Spaß gehabt haben sollte, hätte sie nach einer Weile schon gelernt, es zu genießen. Aber er machte das Trauerspiel mit, weil es ihm in der Klinik gefiel. Sogar um einiges besser als zu Hause bei seinen jammernden und winselnden Geschwistern, die ständig herumheulten, weil sie keine Mom mehr hatten.
Wie sich herausstellte, waren es die Gruppentherapiesitzungen, auf die er sich inzwischen am meisten freute. Tag für Tag erfuhr er mehr private Details über die anderen Jugendlichen und lernte, wie er sie am besten für seine Zwecke einspannen konnte. Sie waren alle angeschlagen und balancierten am Rand des Abgrunds. Ein kleiner Schubs würde genügen, um sie endgültig in die Verzweiflung zu stürzen. Außerdem schaute er ganz genau hin und prägte sich ein, wie diese angeblichen Spitzenpsychiater mit ihren Patienten arbeiteten – insbesondere die Techniken, die sie anwendeten, um zu den armen Geschöpfen durchzudringen und ihnen zu helfen. Die Typen hatten den absoluten Traumjob: Sie beeinflussten das Denken anderer Leute. Tee war begeistert. Darin war er schon als kleiner Junge gut gewesen. Die Vorstellung, damit auch noch die dicke Kohle zu verdienen, war sehr verführerisch.
Einen Arzt gab es hier, den er am liebsten hatte. Er war schon älter und Asiat, genauer gesagt, Chinese wie Yang Wei. Wie Tee herausfand, hatte die Klinik unter anderem ihm die vielen chinesischen Patienten zu verdanken. Es stellte sich heraus, dass der Doc ein chinesischer Dissident war, und in den Einzelsitzungen erzählte er Tee oft von seinem Leben in China und wie sehr er seine Familie vermisste. Doch was Tee noch viel mehr interessierte, waren seine
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