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Das Boese in uns

Das Boese in uns

Titel: Das Boese in uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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Moment überrascht.
    Ich spüre das Verlangen nach der Tequila-Flasche, eine nackte, wilde Gier, die mir Angst macht. Das ist es, wird mir klar, was den Alkoholiker zu seinem nächsten Drink treibt: das Gefühl, dass er einen langsamen, qualvollen Tod stirbt, wenn er nichts trinkt.
    Ich strecke die Hand aus, halte sie über die Tischplatte. Sie zittert.
    Sieh mich an, verlangt die Stimme erneut, schneidender diesmal und durchdringender. Es ist keine Frage, es ist ein Befehl.
    Ich spüre Übelkeit in mir aufsteigen. Mir wird bewusst, dass es schlimmer werden wird. Dass ich nichts dagegen tun kann.
    Gütiger Himmel, ich muss kotzen!
    Ich springe auf, renne aus meinem Büro und zur Toilette draußen auf dem Gang. Die Tür ist unverschlossen, doch ich bin allein.
    Ich reiße die Tür zu einer der drei Kabinen auf und lasse mich vor dem Klosett auf die Knie fallen. Mein Magen krampft sich zusammen, und ein kurzer Schmerz schießt durch meinen Kopf. In der nächsten Sekunde kotze ich mir die Seele aus dem Leib. Es geht rasch vorbei, doch es ist heftig. Ich kann spüren, wie mir das Blut in den Kopf steigt und Tränen in die Augen presst. Ich packe die Seiten der Kloschüssel und warte, ob es vorbei ist.
    Sieh mich an.
    Ich winde mich wie ein Seil in den starken Händen eines Matrosen, biege mich wie ein Violinbogen, und meine Muskeln verkrampfen sich, als ich mich erneut übergebe. Es dauert ein wenig zu lange diesmal, und ich sehe Sterne hinter geschlossenen Augenlidern.
    Doch diesmal weiß ich, dass ich fertig bin, und ich lasse mich in eine sitzende Haltung zurücksinken, lehne mich an die Wand der Kabine. Ich bleibe einen Moment sitzen und atme, die Hand an der Stirn, während ich versuche, das Monster mitsamt seinen Klauen zurück in seine Kiste zu drängen.
    Jetzt ist nicht die Zeit, sage ich mir. Es gibt eine Zeit, aber nicht jetzt. Bitte.
    Ich schließe die Augen, lehne den Kopf an die Wand und lasse meine Gedanken treiben. Die Zeit vergeht in unregelmäßigen Sprüngen. Bilder entstehen vor mir. Sie sind zusammenhanglos, wirr, ohne Rhythmus und ohne erkennbaren Grund. Ich sehe Matt, ich sehe Bonnie, und da ist Tommy, der mir sagt, dass er mich liebt, und da ist Maxine mit ihren Waschbärenaugen.
    Ich öffne die Augen wieder und merke, dass die Stimme verstummt ist. Ich nutze die Gelegenheit, um mich unsicher auf weichen Knien zu erheben. Ich betätige die Wasserspülung, und dabei wird mir bewusst, dass Tränen über meine Wangen rinnen.
    »Oh verdammt, verdammt«, murmle ich.
    Ich hasse es zu weinen. Habe es immer gehasst.
    Ich habe mich wieder halbwegs unter Kontrolle. Mein Magen krampft sich nicht mehr zusammen, und das Gemaule in meinem Kopf ist zu einem leisen Flüstern im Hintergrund verklungen. Doch mein Mund ist immer noch gefüllt mit dem säuerlichen Geschmack von Erbrochenem. Ich öffne die Tür meiner Kabine und wanke nach draußen.
    »Besser?«
    Ich bin so überrascht, dass ich fast meine Waffe ziehe. Ich wirble herum beim Klang der Stimme, wobei ich beinahe hinfalle, so weich sind meine Knie immer noch. Kirby steht vor mir, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie lehnt an der Tür zum Korridor, kaut Kaugummi und mustert mich mit einem Blick, den ich nicht recht einschätzen kann.
    »Was tust du hier?«, frage ich heiser.
    »Dafür sorgen, dass keiner reinkommt und mitkriegt, wie du schlappmachst.« Sie zuckt die Schultern. »Eigentlich bin ich raufgekommen, weil ich zu Callie wollte. Dabei hab ich gesehen, wie du zum Klo gerannt bist, und das hat mich neugierig gemacht.«
    Ich wende mich zum Waschbecken, sodass ich ihr nicht in die Augen sehen muss. Ich drehe das Wasser an.
    »Ich habe nicht schlappgemacht«, sage ich.
    Sie bläst ihren Kaugummi auf, bis er zerplatzt. »Wenn du's sagst. Aber du warst fast zwanzig Minuten in dieser Kabine.«
    Ich richte mich schockiert auf. Zwanzig Minuten? So lange?
    Ich riskiere einen verstohlenen Blick zu Kirby. Sie steht nur da und kaut auf ihrem Kaugummi. Ihr Gesichtsausdruck ist eine Mischung aus Geduld und Leere. Sie scheint meine Gedanken zu lesen und hebt das Handgelenk, um mir die Uhr zu zeigen.
    »Ich hab auf die Uhr geschaut.«
    Ich wende mich wieder ab und spritze mir kühlendes Wasser ins Gesicht. Meine Wangen brennen vor Verlegenheit. »Und warum interessiert dich das?«
    »Na ja ... ich respektiere nicht viele Leute auf dieser Welt, Smoky, aber du gehörst dazu. Und ich dachte mir, wenn du schon zusammenbrichst, hast du dabei ein wenig Privatsphäre

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