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Das Böse unter der Sonne

Das Böse unter der Sonne

Titel: Das Böse unter der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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freut mich, wenn ich Ihnen helfen kann», sagte er mit seiner rauen, leicht keuchend klingenden Stimme. «Natürlich weiß ich nichts Näheres – rein gar nichts. War nicht mit den Leuten bekannt. Aber ich bin im Leben weit herumgekommen. War lange im Orient, wissen Sie. Und ich kann Ihnen verraten, dass Sie alles Wissenswerte über die menschliche Natur erfahren haben, wenn Sie mal in den indischen Bergen stationiert waren.»
    Er schwieg, holte tief Luft und legte wieder los.
    «Der Fall erinnert mich an eine Geschichte in Simla. Der Bursche hieß Robinson – oder hieß er Falconer? Ich weiß es nicht mehr genau, spielt ja auch keine Rolle. Ein ruhiger Knabe, verstehen Sie; las viel – lammfromm, könnte man sagen. Eines Abends ging er zu Hause auf seine Frau los. Er würgte sie. Sie hatte es eine Zeit lang mit einem Kerl getrieben, und er hatte es erfahren. Bei Gott, er hätte sie beinahe umgebracht! Um ein Haar. Erstaunte uns alle! Wir hätten so was bei ihm nicht vermutet.»
    «Und Sie sehen da eine Ähnlichkeit mit der Ermordung von Mrs Marshall?»
    «Also, ich wollte sagen – ich meine, sie wurde erwürgt, nicht wahr? Ist doch ähnlich. Der Bursche sah plötzlich rot!»
    «Glauben Sie, dass Captain Marshall solcher Gefühle fähig ist?», fragte Poirot.
    «Na, hören Sie mal, das habe ich nicht behauptet!» Major Barrys rotes Gesicht wurde noch röter. «Ich hatte nie was gegen Marshall. Ein anständiger Bursche. Nicht um alles in der Welt würde ich etwas Schlechtes über ihn sagen.»
    «Entschuldigen Sie», sagte Poirot, «aber eben erzählten Sie uns noch die Geschichte eines wütenden Ehemannes, der auf seine Frau losging.»
    «Nun, ich meinte damit nur, dass sie ganz schön raffiniert war. Der junge Redfern zappelte an ihrer Angel. Und vor ihm gab’s sicherlich eine Menge anderer Verehrer. Aber es ist eine komische Sache mit den Ehemännern. Sie merken es immer als letzte. Es hat mich immer wieder verblüfft. Sie sehen, dass ein Kerl hinter der eigenen Frau her ist, aber sie merken nicht, dass sie auch wild auf ihn ist. Ich erinnere mich an eine Geschichte in Poona. War eine sehr hübsche Frau. Mein Gott, die tanzte ihrem Mann auf der Nase herum…»
    Oberst Weston wurde unruhig. «Ja, ja, Major Barry», sagte er. «Im Augenblick müssen wir uns auf die Fakten beschränken. Können Sie uns aus eigener Anschauung sagen – ich meine, haben Sie etwas gesehen oder gehört, was uns bei unseren Nachforschungen weiterhelfen könnte?»
    «Tja, Weston, das möchte ich eigentlich nicht behaupten. Einmal sah ich sie und den jungen Redfern nachmittags in der Möwenbucht…» Er zwinkerte vielsagend und gab ein raues Kichern von sich. «Eine nette Szene, das muss ich sagen. Aber das gehört wohl nicht hierher, haha!»
    «Sie haben Mrs Marshall heute Vormittag nicht gesehen?»
    «Ich sah überhaupt niemand. Ich fuhr hinüber nach St. Loo. So ein Pech. Monatelang passiert hier nichts, und wenn dann was los ist, bin ich nicht da!» Die Stimme des Majors klang sehr bedauernd.
    «Sie fuhren nach St. Loo, sagen Sie?», bohrte Oberst Weston weiter.
    «Ja, ich wollte ein paar Telefonanrufe erledigen. Hier gibt’s ja kein Telefon, und in der Poststelle von Leathercombe kann jeder mithören.»
    «Waren Ihre Gespräche denn so privat?»
    Wieder blinzelte der Major anzüglich. «Ja und nein», antwortete er. «Ich wollte einen Freund anrufen und ihn bitten, auf ein bestimmtes Pferd zu setzen. Konnte ihn aber nicht erreichen. Da hatte ich schon wieder Pech.»
    «Von wo riefen Sie an?»
    «Im Postamt von St. Loo ist eine Telefonzelle. Auf dem Rückweg habe ich mich verfahren – die vielen kleinen krummen Straßen, die hierhin und dorthin führen. Ich muss mindestens eine Stunde vertrödelt haben. Höchst verwirrend, die Gegend hier. Ich bin erst vor einer halben Stunde zurückgekommen.»
    «Haben Sie in St. Loo jemand Bekannten getroffen?», fragte Weston.
    Major Barry kicherte wieder. «Sie wollen wohl mein Alibi überprüfen? Mir fällt dazu nichts Nützliches ein. Ich bin in St. Loo einem Haufen Leute begegnet, was nicht heißt, dass sie sich an mich erinnern werden.»
    «Es ist reine Routinesache, wenn wir Sie danach fragen.»
    «Ja, ich weiß. Sie können immer mit mir rechnen. Eine ganz bezaubernde Frau war sie. Ich würde Ihnen gern helfen, den Mörder zu fassen. ‹Mord am einsamen Strand› wird es in den Zeitungen heißen. Das erinnert mich an die Zeit, als ich…» Diesmal war es Inspektor Colgate, der die neue

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