Das Bourne-Attentat
du nie sein.«
Sie nahm seine Hand in die ihre, hob sie an ihren Mund und drückte sie an ihre Wange.
In diesem Augenblick hörten sie Sever aufschreien, und sie standen auf und gingen zu ihm. Er lag zusammengerollt auf der Seite, wie ein kleines Kind, das sich im Dunkeln fürchtet. Bourne kniete sich zu ihm und drehte ihn vorsichtig auf den Rücken, um die Verletzung zu entlasten.
Der Professor sah zuerst Bourne an, dann Moira, als sie zu ihm sprach.
»Warum haben Sie das getan?«, fragte sie. »Warum greifen Sie das Land an, in dem Sie eine Heimat gefunden haben?«
Sever atmete schwer. »Das würden Sie nicht verstehen.«
»Erklären Sie’s mir.«
Sever schloss die Augen, wie um sich besser auf jedes Wort konzentrieren zu können, das er sagte. »Die muslimische Sekte, zu der ich gehöre und zu der auch Semjon Ikupow gehörte, ist sehr alt. Ihre Anfänge liegen in Nordafrika.« Er hielt inne, um Luft zu holen. »Unsere Sekte ist sehr streng und unser Glaube so kompromisslos, dass man es einem Ungläubigen nicht erklären kann. Aber ich kann Ihnen eines sagen: Wir können nicht in der modernen Welt leben, weil die moderne Welt alle unsere Gesetze verletzt. Deshalb muss sie vernichtet werden.
Trotzdem …« Er leckte sich die Lippen, und Bourne goss etwas Wasser in ein Glas und hob seinen Kopf, um ihn trinken zu lassen. »Ich hätte Sie nie benutzen dürfen, Jason«, fuhr er fort. »In den vergangenen Jahrzehnten hat es viel Uneinigkeit zwischen Semjon und mir gegeben – und bei der letzten ging es um Sie. Er meinte, dass Sie uns Probleme machen würden, und er hatte Recht. Ich dachte, ich könnte Sie auf eine Spur führen, die die amerikanischen Sicherheitsbehörden glauben lassen würde, dass wir New York City angreifen.« Er stieß ein kurzes trockenes Lachen aus. »Ich habe eine zentrale Wahrheit des Lebens missachtet – dass sich die Wirklichkeit nicht beherrschen lässt; sie ist zu unberechenbar, zu chaotisch. Sie sehen also – am Ende habe ich Sie doch nicht täuschen können.«
»Professor, es ist vorbei«, warf Moira ein. »Wir werden den Tanker nicht anlegen lassen, bis wir den Softwarefehler behoben haben.«
Sever lächelte. »Eine gute Idee, aber das wird Ihnen nichts nützen. Wissen Sie, was für einen Schaden so viel Flüssiggas anrichtet? Mindestens zehn Quadratkilometer werden völlig verwüstet sein, Tausende werden sterben, die verkommene selbstsüchtige amerikanische Lebensart wird den vernichtenden Schlag bekommen, von dem Semjon und ich schon seit Jahrzehnten träumen. Das ist meine große Bestimmung in diesem Leben. Die Menschenleben und die Zerstörung sind noch eine Draufgabe.«
Er hielt inne, um zu Atem zu kommen, was ihm immer schwerer fiel. »Wenn der größte Hafen des Landes vernichtet ist, wird die ganze amerikanische Wirtschaft zusammenbrechen. Fast die Hälfte Ihrer Importe kommt auf diesem Weg ins Land. Es wird zu einer allgemeinen Knappheit an Gütern und Lebensmitteln kommen, Unternehmen werden zusammenbrechen, die Börsen werden ins Bodenlose stürzen, und es wird zu einer Massenpanik kommen.«
»Wie viele Ihrer Männer sind an Bord?«, fragte Bourne.
Sever lächelte schwach. »Sie sind für mich wie ein Sohn, Jason.«
»Sie haben es zugelassen, dass Ihr eigener Sohn getötet wurde«, erwiderte Bourne.
»Nicht getötet – geopfert, Jason. Das ist ein Unterschied.«
»Nicht für ihn.« Bourne kehrte zum Thema zurück. »Wie viele Männer, Professor?«
»Einer, nur einer.«
»Ein Mann kann den Tanker nicht unter seine Kontrolle bringen«, wandte Moira ein.
Ein Lächeln umspielte Severs Lippen, während sich seine Augen schlössen und er im Begriff war, das Bewusstsein zu verlieren. »Ja, wenn der Mensch nicht Maschinen erfunden hätte, die die Arbeit für ihn machen …«
Moira wandte sich Bourne zu. »Was heißt das?«
Bourne schüttelte den alten Mann an den Schultern, doch er war bereits in tiefe Bewusstlosigkeit gesunken.
Moira überprüfte seine Augen, seine Stirn, seine Halsschlagader. »Ohne intravenöse Antibiotika wird er es wahrscheinlich nicht schaffen.« Sie sah Bourne an. »Wir sind jetzt in der Nähe von New York City. Wir könnten hier landen und einen Krankenwagen kommen lassen.«
»So viel Zeit haben wir nicht«, sagte Bourne.
»Ich weiß, dass wir nicht viel Zeit haben.« Moira fasste ihn am Arm. »Aber ich will dir die Entscheidung überlassen.«
Bourne sah auf das faltige Gesicht seines Mentors hinunter, das im Schlaf viel älter
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