Das Bourne-Vermächtnis
Bourne an seiner Figur und seinen Bewegungen. Was seine Begleiterin anging, registrierte sein Verstand sie zwar beiläufig, aber er achtete nicht sonderlich auf sie.
Wie Bourne interessierte ihn viel mehr, weshalb die Polizei in László Molnars Apartment aufgekreuzt war, als Bourne sich darin aufgehalten hatte. Und genau wie Bourne fiel ihm die Ähnlichkeit mit der Szene in Conklins Landhaus in Manassas auf. Sie trug eindeutig Spalkos Handschrift. Aber im Gegensatz zu Virginia, wo er Spalkos Mann entdeckt hatte, war Chan bei seiner gründlichen Erkundung der Umgebung von Molnars Apartmenthaus auf keinen möglichen Tippgeber gestoßen.
Wer hatte also die Polizei angerufen? Irgendjemand musste in der Nähe gewesen sein und sie informiert haben, als Bourne und die Frau das Haus betreten hatten.
Er ließ den Motor seines Leihwagens an und konnte Bourne folgen, als er in ein Taxi stieg. Die Frau ging allein weiter. Chan kannte Bourne und war auf die Richtungsänderungen, das Hakenschlagen und den Fahrzeugwechsel vorbereitet und behielt Bourne auch während dieser Manöver, die etwaige Beschatter abschütteln sollten, in Sicht.
Endlich erreichte Bournes zweites Taxi die Fo utca.
Vier Straßenblocks nördlich der prächtigen Kuppel der Kiraly-Bäder stieg Bourne aus und verschwand in dem Gebäude Nr. 106–108.
Chan fuhr langsamer und parkte dann in einiger Entfernung schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite, um nicht am Hauseingang vorbeifahren zu müssen. Er stellte den Motor ab, machte sich auf dem dunklen Fahrersitz klein. Alex Conklin, Jason Bourne, László Molnar, Hassan Arsenow. Er dachte an Spalko und fragte sich, wie all diese einzelnen Namen zusammengehörten. Zwischen ihnen gab es eine logische Verbindung – die gab es immer, man musste nur imstande sein, sie zu erkennen.
So verstrichen fünf bis sechs Minuten, und dann hielt ein weiteres Taxi vor dem Haus Nr. 106–108. Chan sah eine junge Frau aussteigen. Er bemühte sich, einen Blick auf ihr Gesicht zu erhaschen, bevor sie die schwere Eingangstür aufstieß, konnte aber nur feststellen, dass sie rothaarig war. Er wartete und beobachtete die Fassade des Gebäudes. Als Bourne von der Straße hereingekommen war, war nirgends Licht aufgeflammt, was bedeutete, dass er unten in der Eingangshalle auf sie wartete –
und dass sie hier wohnte. Tatsächlich war es kurze Zeit später hinter einem Erkerfenster im dritten und obersten Stock hell geworden.
Weil er nun wusste, wo sie waren, versenkte er sich in Zazen-Meditation, aber nachdem er eine Stunde lang vergebens versucht hatte, seine Gedanken zu klären, gab er auf. In der Dunkelheit schloss seine Hand sich um den kleinen, aus Stein geschnittenen Buddha. Dann fiel er fast augenblicklich in tiefen Schlaf, in dem er wie ein Stein in der Unterwelt seines wiederholten Albtraums versank.
Das Wasser ist blauschwarz, rastlos strudelnd wie von bösartiger Energie erfüllt. Er versucht, an die Oberfläche zu gelangen, und greift so kraftvoll aus, dass seine Gelenke unter der Belastung knacken. Trotzdem sinkt er, von dem um seinen Knöchel geknoteten Tau in die Tiefe gezogen, weiter ins Dunkel hinab. Seine Lunge beginnt zu brennen. Er sehnt sich danach, einmal Atem zu holen, aber er weiß, dass Wasser eindringen und er ertrinken wird, sobald er den Mund aufmacht.
Er krallt nach unten, versucht das Tau aufzuknoten, aber seine Finger finden an der glitschigen Oberfläche keinen Halt. Den Schrecken dessen, was in der dunklen Tiefe auf ihn lauert, spürt er wie elektrischen Strom, der durch seinen Körper läuft. Dieser Schrecken hält ihn wie ein Schraubstock fest; er muss den Drang unterdrücken, haltlos zu wimmern. In diesem Augenblick hört er die aus der Tiefe aufsteigenden Klänge – Glockengeläut, der Gesang von Mönchen, bevor sie von den Roten Khmer ermordet wurden.
Nach einiger Zeit wird daraus der Gesang einer einzelnen Stimme, eines klaren Tenors mit einer wiederholten Wehklage, die etwas von einer Gebetsmühle an sich hat.
Und während er in die dunkle Tiefe hinabstarrt, während er die Figur am anderen Ende des Seils, das ihn unerbittlich ins Verderben zieht, zu erkennen beginnt, hat er allmählich das Gefühl, das Lied, das er hört, müsse von dieser Figur kommen. Denn er kennt die Figur, die in der starken Strömung unter ihm kreiselt; sie ist ihm so vertraut wie das eigene Gesicht, der eigene Körper. Aber jetzt erkennt er mit einem Schock, der ihn ins Innerste trifft, dass der Gesang
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