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Das Bourne-Vermächtnis

Das Bourne-Vermächtnis

Titel: Das Bourne-Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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durchquerte die Eingangshalle und nahm je zwei Treppenstufen auf einmal. Beide Gästezimmer und die dazugehörigen Bäder waren leer, anscheinend längere Zeit nicht mehr benützt.
    Etwas weiter den Flur entlang betrat er Conklins Schlafzimmer: ein spartanisch eingerichteter Raum, wie er zu einem alten Soldaten passte. Das Bett war schmal und hart, kaum mehr als eine Pritsche. Es war nicht gemacht; offenbar hatte Alex letzte Nacht darin geschlafen. Aber wie es einem Bewahrer von Geheimnissen geziemte, war hier sehr wenig von seiner Vergangenheit ausgestellt. Bourne griff nach einem Silberrahmen mit dem Foto einer Frau.
    Sie hatte langes, lockiges Haar, helle Augen und ein leicht spöttisches Lächeln. Im Hintergrund erkannte er die prächtigen Steinlöwen des Brunnens auf der Place Saint-Sulpice. Paris. Bourne stellte das Foto wieder hin, warf einen Blick ins Bad. Auch dort nichts von Interesse.
    Unten im Erdgeschoss schlug die Uhr in Conklins Arbeitszimmer mit zwei Schlägen die volle Stunde. Es war eine antike Schiffsuhr mit volltönend melodischem Schlag. Aber für Bourne hatte ihr Ton unerklärlicherweise eine bedrohliche Note angenommen. Ihm erschien es, als brandeten die Glockenschläge wie eine schwarze Woge durchs Haus, und sein Herz begann zu jagen.
    Er ging wieder die Treppe hinunter und an der Küche vorbei, in die er kurz den Kopf steckte. Auf dem Herd stand ein Teekessel, aber die Ablageflächen aus Edelstahl waren fleckenlos sauber. Im Kühlschrank spuckte der Eisbereiter Würfel aus. Und dann sah Bourne etwas: Conklins Spazierstock aus polierter Esche mit dem ziselierten Silberknauf. Alex hatte ein kaputtes Bein – die Folge einer besonders gewalttätigen Begegnung in Übersee: Er wäre niemals ohne seinen Stock aus dem Haus gegangen.
    Das Arbeitszimmer lag links voraus: ein behaglicher holzgetäfelter Raum in einer Ecke des Hauses mit Blick über den Rasen, dem Bäume Schatten spendeten, auf eine Natursteinterrasse, in deren Mitte ein riesiger Pool eingelassen war, und auf den Rand des Mischwalds aus Tannen und Laubbäumen, der den größten Teil des
    Anwesens bedeckte. Von wachsender innerer Unruhe getrieben, hastete Bourne zum Arbeitszimmer weiter …
    und erstarrte, als er es betrat.
    Er war sich der Dichotomie seines Wesens noch nie so bewusst gewesen, denn ein Teil seines Ichs hatte sich abgekoppelt, war ein neutraler Beobachter geworden. Diese rein analytische Abteilung seines Verstands stellte fest, dass Alex Conklin und Mo Panov auf dem farbenprächtigen Orientteppich lagen. Blut aus ihren Kopfverletzungen hatte den Teppich getränkt und sich an einigen Stellen in Lachen auf dem Parkett angesammelt. Frisches Blut, das noch feucht glänzte. Conklin starrte mit glasigem Blick zur Decke hinauf. Sein Gesicht war gerötet und wütend, als sei all der tief in seinem Inneren verborgen gehaltene Groll gewaltsam hervorgebrochen. Mos Kopf war zur Seite gedreht, als habe er sich umzudrehen versucht, als er niedergestreckt wurde. Auf seinem Gesicht stand unverkennbar Angst. Er hatte im letzten Augenblick den Tod kommen gesehen.
    Alex! Mo! Jesus! Der emotionale Damm brach plötzlich, und Bourne, dem vor Schock und Entsetzen schwindelte, lag auf den Knien. Seine gesamte Welt war bis ins Innerste erschüttert. Alex und Mo tot – selbst mit dieser grausigen Szene vor Augen war das kaum zu fassen. Nie wieder mit ihnen reden zu können, nie mehr auf ihre Erfahrung zurückgreifen zu können. Vor seinem inneren Auge erschien eine Bilderflut: Erinnerungen an Alex und Mo, an Zeiten, die sie miteinander verbracht hatten, spannende Zeiten voller Gefahr und jähem Tod, und danach die behagliche Ungezwungenheit, die nur durch gemeinsam bestandene Gefahr entsteht. Zwei gewaltsam beendete Leben, die nichts als Zorn und Angst hinterlie
    ßen. Mit erschreckender Endgültigkeit fiel die Tür zu seiner Vergangenheit ins Schloss. Bourne und Webb trauerten beide. Bourne rappelte sich mühsam auf, wischte Webbs hysterische Gefühlsduselei beiseite, zwang sich dazu, nicht zu weinen. Trauer war ein Luxus, den er sich nicht gestatten konnte. Er musste nachdenken.
    Bourne fing an, sich den Tatort einzuprägen, fixierte die Einzelheiten in seinem Gedächtnis, versuchte festzustellen, was geschehen war. Er trat näher, achtete aber darauf, nicht in das Blut zu treten oder sonst etwas zu verändern. Alex und Mo waren erschossen worden – offenbar mit dem Revolver, der zwischen ihnen auf dem Teppich lag. Beide waren mit je einem

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