Das Bourne-Vermächtnis
Batterierasierer sein Haar auf wenige Millimeter Länge. Dann zog er die neuen Sachen an: Jeans, ein rotweiß kariertes Cowboyhemd mit Perlmuttknöpfen und Laufschuhe von Nike. Vor dem Spiegel über den Waschbecken schraubte er den kleinen Tiegel auf, den er in der Kosmetikabteilung gekauft hatte, und verteilte den Inhalt sorgfältig auf seinem Gesicht, wodurch sein Teint merklich dunkler wurde. Ein anderes Produkt machte seine Augenbrauen voller und markanter. Die von Deron gelieferten Kontaktlinsen verliehen seinen grauen Augen einen glanzlosen braunen Farbton.
Zwischendurch musste er mehrmals eine Pause machen, weil jemand hereinkam oder an die Waschbecken trat, aber die meiste Zeit hatte er die Herrentoilette für sich allein.
Als er fertig war, betrachtete er sich im Spiegel. Weil er noch nicht ganz zufrieden war, klebte er sich einen auffälligen Leberfleck auf die linke Wange. Damit war die Verwandlung komplett. Er nahm den Rucksack über eine Schulter, durchquerte den Laden und hielt auf den Glaskasten mit dem Hauptausgang zu.
Martin Lindros war in Alexandria, um nach der verpatzten Liquidierung bei Lincoln Fine Tailors Schadensbegrenzung zu betreiben, als der Anruf vom Chef des Sicherheitsdiensts im Wal-Mart an der New York Avenue kam. An diesem Morgen hatte er mit Detective Harry Harris vereinbart, dass sie sich trennen und mit ihren jeweiligen Leuten weiterfahnden würden. Weil der Kriminalbeamte sich erst vor zehn Minuten gemeldet hatte, wusste Lindros, dass er einige Meilen weniger fahren musste. Das brachte ihn in eine teuflische Zwickmühle.
Wegen des Fine-Fiaskos würde der Alte ihn gewaltig zusammenstauchen, aber wenn er erfuhr, dass Lindros zugelassen hatte, dass die State Police Bournes letzten bekannten Aufenthaltsort zuerst erreichte, würde er ihm das ewig vorhalten. Eine beschissene Situation, sagte er sich, und fuhr schneller. Wichtiger als alles andere war jedoch, dass Bourne geschnappt wurde. Plötzlich stand seine Entscheidung fest. Zum Teufel mit Eifersüchteleien und Geheimnissen zwischen den Diensten , dachte Lindros.
Er ließ sein Handy eine gespeicherte Nummer wählen, wartete ab, bis Harris sich meldete, und gab ihm die Adresse des Wal-Marts.
»Passen Sie auf, Harry, Sie müssen sich lautlos annähern. Ihre Aufgabe ist’s, den Markt abzusperren. Sie sollen dafür sorgen, dass Webb nicht entkommt, das ist alles. Unter gar keinen Umständen dürfen Sie sich zeigen oder versuchen, ihn zu verhaften. Ist das klar? Ich bin nur wenige Minuten hinter Ihnen.«
Ich bin nicht so dumm, wie ich aussehe , dachte Harry Harris, während er die drei ihm unterstehenden Streifenwagen zusammenzog. Und ich bin jedenfalls nicht so dumm, wie Lindros glaubt. Er hatte reichlich Erfahrung mit CIA-und FBI-Typen und noch keinen kennen gelernt, der ihm sympathisch gewesen wäre. Alle Feds waren unverbesserlich von ihrer Überlegenheit überzeugt, als seien andere Polizeien völlig ahnungslos und müssten wie Kinder an der Hand geführt werden. Diese Einstellung ging Detective Harris verdammt gegen den Strich.
Lindros hatte ihn unterbrochen, als er seine eigene Theorie hatte erläutern wollen – weshalb sollte er sich also die Mühe machen, sie ihm jetzt mitzuteilen? Für Lindros war er nicht mehr als ein Packesel: Jemand, der so dankbar dafür war, mit der CIA zusammenarbeiten zu dürfen, dass er alle Befehle genauestens und ohne zu fragen ausführen würde. Harris war inzwischen klar, dass er längst nicht alle Informationen erhielt. So hatte Lindros ihm Webbs Auftauchen in Alexandria absichtlich verschwiegen. Davon hatte Harris nur zufällig erfahren. Als sie jetzt zum Wal-Mart unterwegs waren, beschloss er, die volle Kontrolle über die Situation zu übernehmen, solange er die Chance dazu hatte. Nachdem sein Entschluss gefasst war, griff er nach dem Mikrofon seines Funkgeräts und begann Befehle an seine Männer zu blaffen.
Im Wal-Mart hatte Bourne den Ausgang schon fast erreicht, als drei Streifenwagen der Virginia State Police mit Sirenengeheul die New York Avenue entlang rasten.
Er wich in die Schatten zurück. Kein Zweifel, die Polizei war direkt hierher zum Wal-Mart unterwegs. Er war erkannt worden – aber wie? Darüber konnte er sich später den Kopf zerbrechen. Im Augenblick musste er sich einen Fluchtplan überlegen.
Die Streifenwagen hielten mit quietschenden Reifen, blockierten den Verkehr und provozierten sofort ein Hupkonzert. Bourne konnte sich nur einen Grund vorstellen, weshalb sie
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