Das Brandhaus - Roman
Ausdruck.
»Ich hole mir noch einen Kaffee. Will sonst noch jemand einen?«, fragte Irene und stand auf.
Sie konnte einfach nicht im Konferenzzimmer sitzen bleiben. Und Kaffee war ein guter Vorwand, um auf den Gang zu treten und sich zu bewegen.
Als Efva Thylqvist wieder in der Tür auftauchte, sprach ihre Miene Bände.
»Er ist tot«, teilte sie knapp mit.
»Um Gottes willen!«, sagte Åsa.
»Immer mit der Ruhe. Er ist schließlich nicht an deinem Schuss gestorben«, meinte Jonny.
Das klang fast so, als versuchte er sie zu trösten. Åsa warf ihm einen erstaunten Blick zu, erwiderte aber nichts.
»Er hat sich mit dem Verband erhängt, den er um den Oberschenkel trug. Irgendein Schlaumeier in der Klinik hatte ihn mit einer breiten elastischen Binde verbunden. Im Untersuchungsgefängnis ist das niemandem aufgefallen. Denn Mattias Eriksson war schlau und hatte über die elastische Binde einen weiteren Gazestrumpf gezogen. Der Verband hätte ganz glatt gewirkt, sagen sie im Untersuchungsgefängnis. Keiner hat sich offenbar die Mühe gemacht nachzusehen, was sich darunter verbarg. Nach Anordnung der Ärzte im Östra Sjukhuset sollte der Verband wohl eine Woche lang unberührt bleiben«, sagte die Kommissarin mit eisiger Stimme.
Die anderen hatten den Eindruck, dass die Kollegen im Untersuchungsgefängnis nach dieser Sache nichts zu lachen haben würden. Kommissarin Thylqvist würde nicht zulassen, dass ein schlechtes Licht auf das Dezernat für Gewaltverbrechen fiel, bloß weil im Untersuchungsgefängnis geschlampt wurde.
Die Verstimmung, die sich im Konferenzzimmer ausbreitete, hatte nichts damit zu tun, dass jemand um Mattias Eriksson getrauert hätte. Vielmehr war allen Anwesenden bewusst, was die Medien aus der Story machen würden. Mordverdächtiger bei Festnahme angeschossen. Tod in Untersuchungshaft. Es würde ungemütlich werden.
Efva Thylqvist schien konzentriert nachzudenken. Sie betrachtete ihre Hände, die sie flach auf die Tischplatte gelegt hatte. Ihre hellen, perlmuttrosa Nägel sahen perfekt aus, und sie trug keine Ringe an ihren schmalen Fingern. Plötzlich schaute sie auf und ließ ihren Blick rasch um den Tisch kreisen.
»Wir müssen Erikssons Unterschlupf in Göteborg finden.«
Abrupt stand sie auf und verließ das Zimmer.
»Nächste Sitzung um drei«, sagte Tommy und eilte ihr nach.
»Manche Leute haben einen Pudel, andere einen stellvertretenden Kommissar«, murmelte Jonny halblaut.
Irene gelang es, am Tag darauf um sechs Uhr einen Termin beim Beerdigungsinstitut zu vereinbaren. Sie war erstaunt, dass dort auch abends geöffnet war. Die Dame am anderen Ende empfahl ihr, sich vorab die Homepage des Beerdigungsinstituts anzusehen. Dort könnte sie sich schon einmal in aller Ruhe darüber informieren, was es eventuell mit dem Bestattungsunternehmen zu besprechen gäbe.
»Neuerdings kann man sogar Beerdigungen übers Internet abwickeln«, sagte Irene und seufzte.
Meine Güte, fange ich jetzt schon an, Selbstgespräche zu führen! Vermutlich werde ich wirklich alt, dachte sie. Ihr Vater hatte das auf seine alten Tage ebenfalls getan.
Die Kollegen aus Malmö ließen von sich hören. Sie hatten bei der Mutter von Mattias Eriksson eine Haussuchung durchgeführt. Sie wohnte in einem kleinen Haus am Rande von Tullstorp. Mattias hatte im Souterrain ein Zimmer bewohnt. Früher wurde dieses als Partyraum genutzt, jetzt diente es als kombiniertes Schlaf- und Arbeitszimmer. Der Computer war laut den Kollegen aus Malmö imposant gewesen. Sie hatten ihn beschlagnahmt und ins Malmöer Präsidium gebracht. Einem Computerspezialisten der Polizei war es gelungen, die Festplatte zu knacken, die Tausende von Fotos enthielt. Kinderpornographie. Meist handelte es sich um sehr junge Teenager. Mädchen. Auf mehreren Bildern waren schwere sexuelle Übergriffe zu sehen, allerdings kein reiner Sadismus. Sonst hatte nichts im Keller seiner Mutter auf Mattias’ morbide Neigungen hingedeutet, wie sie auf den Filmen aus dem Van dokumentiert waren. Er hatte keine sadistischen Pornofilme
oder Zeitschriften oder Bücher ähnlichen Inhalts besessen. Nichts.
»Irgendwas sagt mir, dass seine Mutter hinter ihm hergeschnüffelt hat, in den Computer aber nicht reinkam. Kodiert«, meinte Jens.
»Die ganzen krassen Sachen musste er hier in Göteborg haben«, stellte Fredrik fest.
Die Abendzeitungen brachten ein Foto von Mattias Eriksson und nannten seinen Namen. Die Geschichte, wie er seine Opfer im
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