Das Brandhaus - Roman
offenbar eine Ausnahme.
Laut Melderegister war Oscar Valentin Leutnerwall am 15. Dezember 1915 geboren worden und zwar als Sohn des Anwalts Valentin Leutnerwall und dessen Frau Siri, geborene Adelskiöld. Außer dem Sohn Oscar hatten die Eheleute noch einen Sohn, Valdemar, und eine Tochter, Astrid. Valdemar war allerdings schon im zarten Alter von zwei Jahren an einer Gehirnhautentzündung gestorben.
Oscar Leutnerwall hatte bis 1935 an der Universität Uppsala Sprachen und anschließend bis 1939 Jura studiert. Anschlie ßend hatte er die Diplomatenlaufbahn eingeschlagen. Er arbeitete 1939 als Attaché am Außenministerium, dann ab 1941 und fast während des gesamten Zweiten Weltkriegs an der Moskauer Botschaft. Nach dem Krieg war er einige Jahre in London gewesen. Anschließend wieder am Außenministerium. In den 60er Jahren hatte er sich in Brüssel aufgehalten und dort
für Schweden an den Verhandlungen zum EEC-Vertrag teilgenommen. Anfang der 70er war er dann wieder ans Außenministerium zurückgekehrt. Die letzten zehn Jahre seines Berufslebens war er Botschafter in London.
»Er hat sich vor fünfundzwanzig Jahren zur Ruhe gesetzt!«, sagte Fryxender beeindruckt.
»Unsereins kann froh sein, wenn er bis zum 1. November durchhält«, murmelte Andersson.
»Er hat gearbeitet, bis er 68 war«, konstatierte Fryxender und betrachtete ein Papier, auf dem Oscar Leutnerwalls Daten und sein Werdegang verzeichnet waren.
»Sein Cousin aber nicht.«
»Nein. Der hat schon mit 62 aufgehört.«
Fryxender nahm den anderen Papierstapel zur Hand, der auf seinem Schreibtisch lag.
Carl-Johan Henric Adelskiöld hatte am 23. Oktober 1917 als Sohn von Henric Carlsson und seiner Frau Vera, geborene Adelskiöld, das Licht der Welt erblickt. Fryxender hatte sogar die nicht unwahrscheinliche Vermutung belegen können, dass Siri und Vera Adelskiöld Schwestern waren. Carl-Johan war ein Einzelkind gewesen. Er war dem Vorbild seines Cousins gefolgt und hatte in Uppsala Jura studiert. Er hatte das Studium recht rasch absolviert und im Frühjahr 1941 mit dem Staatsexamen abgeschlossen. Im selben Jahr hatte er beim Außenministerium angefangen und war um die Weihnachtszeit zu seinem Cousin nach Moskau geschickt worden. Dort blieb er, bis er nach Kriegsende zurückgerufen wurde. Anschließend hatte er an verschiedenen Botschaften und Gesandtschaften überall auf der Welt Dienst getan. Er war sehr sprachbegabt gewesen und hatte wie viele Schweden zu dieser Zeit Deutsch fast so gut wie seine Muttersprache gesprochen. Deshalb hatte er auch viel im deutschen Sprachraum gearbeitet. Auch Französisch hatte er fast perfekt beherrscht. Die letzten fünf Jahre seiner Laufbahn war er Schwedens Chargé d’affaires in Berlin. Im Jahre 1980 war er in Rente gegangen und in seine Heimatstadt Göteborg zurückgekehrt. In eine der Wohnungen in dem Haus
am Korsvägen, das er von seinen Eltern etliche Jahre zuvor geerbt hatte.
»Die Cousins hatten einiges gemeinsam«, meinte Fryxender und legte die beiden Papierstapel ordentlich nebeneinander auf den Schreibtisch.
»Du meinst, dass sie Karriere am Außenministerium gemacht haben?«
»Ja. Lass uns damit anfangen. Beide bekamen direkt nach dem Studium eine Stelle am Außenministerium. Beide wurden nach Moskau entsandt. Beide hielten sich während des Krieges dort auf. Weißt du, wer 1940 und 1941 auch in Moskau war?«
Andersson dachte nach, dann fiel ihm ein, dass die Antwort auf der Hand lag.
»Stig Wennerström.«
»Bravo. Er war Militärattaché.«
»Was macht so jemand genau?«
»Keine Ahnung. Das ist ein militärischer Titel. Aber das ist nicht das Wichtige. Das Interessante ist, dass sich die Cousins und Wennerström im selben Jahr in Moskau aufhielten.«
»Ihre Verbindung ist also Moskau.«
»Genau.«
»Aber worin besteht der Verbindung zu Elof Persson? Der saß doch in Stockholm«, meinte Andersson.
Fryxender ließ sich von dem Einwand seines Kollegen nicht beeindrucken.
»Ich habe mich bei der Sicherheitspolizei und beim Außenministerium erkundigt. Wennerström ist am 2. November 1940 nach Moskau gefahren und im Juni’41 zurückgekommen. Oscar fuhr im Oktober’41 dorthin und Carl-Johan am 10. Dezember desselben Jahres. Alle drei befanden sich also am 16. September’41 in Stockholm!«
»Willst du damit sagen, dass Wennerström Elof Persson auf dem Gewissen hat?«, bemerkte Andersson trocken.
Leif Fryxender überhörte den sarkastischen Tonfall seines Kollegen.
»Vielleicht. Aber
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