Das Brandhaus - Roman
er beim Drogendezernat gearbeitet. Er hatte den Ruf, knallhart zu sein. Jetzt stand ihm der Sinn nach einer gemächlicheren Beschäftigung. Er wollte sich mit erkalteten Fällen ein wenig abkühlen, wie er es ausdrückte.
Es war zwar etwas schade, dass er mit den beiden neuen Kollegen nicht länger als einen Monat zusammenarbeiten konnte, aber gleichzeitig hatte Andersson das Gefühl, das Seine im Göteborger Präsidium geleistet zu haben.
Im November und Dezember wollte er in aller Ruhe ein wenig in seinem Reihenhaus aufräumen. Nach Weihnachten plante er dann mit Elvy nach Thailand zu fahren. Darauf freute er sich. Er war noch nie in Asien gewesen. Nach ihrem gemeinsamen Sommerurlaub in Bohuslän war Elvy nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt, sondern in Rente gegangen. Sie sagte jedoch, dass sie sich manchmal in die Konditorei zurücksehnte, obwohl sie dort 37 Jahre gearbeitet hatte. Vielleicht ja gerade deswegen. Ihr fehlten die Kolleginnen und die Kunden. Genau das beunruhigte Andersson. Was, wenn er sich plötzlich zurücksehnte?
»Ich habe mit der Stadtbücherei telefoniert. Es lässt sich nicht überprüfen, ob ein bestimmtes Buch vor 25 Jahren verschwand oder zurückgegeben wurde. Das ist vollkommen unmöglich.
Diese Infomationen werden maximal drei Jahre lang archiviert«, sagte Leif Fryxender.
Andersson wurde von Fryxenders Bemerkungen über die Ausleihroutinen der Stadtbibliothek aus seinen Überlegungen gerissen.
»Drei Jahre? Warum hast du deswegen in der Bücherei nachgefragt?«, wollte er wissen.
»Weil wir in der Nische, in der Mats Persson eingemauert worden war, keine Tasche mit Bibliotheksbüchern gefunden haben. Dort lagen nur die Pistole, seine Kleider und seine Brieftasche. Daraufhin habe ich mir überlegt, dass der Mörder die Bücher vielleicht zurückgegeben hat«, meinte Fryxender.
»Warum hätte er das tun sollen?«
»Um sie loszuwerden.«
Klingt recht logisch, dachte Andersson. Es genügte, die Bücher diskret auf den Rückgabetisch zu legen, dann konnte man in der Menschenmenge verschwinden.
Wie immer war es nicht leicht, in Nedre Johanneberg einen Parkplatz zu ergattern. Nachdem sie eine Viertelstunde lang herumgekurvt waren, fand Sven Andersson schließlich einen Parkplatz in der Lennart Torstenssonsgatan. Der Regen peitschte ihnen ins Gesicht, als sie bei starkem Gegenwind die Straße entlanggingen. Der Bürgersteig war wegen des vielen nassen Laubs, das der Sturm aus den ehrfurchtgebietenden Baumkronen gerissen hatte, wahnsinnig glatt.
Das Haus lag am Hang hinunter zum Näckrosdammen. Im Park unterhalb gingen die Göteborger gerne spazieren, einige der fettesten Enten der Stadt tummelten sich in dem trüben Wasser des Teichs. Im Sommer prunkten dort unzählige weiße und rosa Seerosen. Die große Wiese zwischen Teich und Unibibliothek nutzten Studenten und andere Göteborger im Sommer zum Sonnenbaden.
Jetzt war der Park menschenleer. Es knarrte besorgniserregend, als der Wind durch die Äste der alten Bäume fuhr. Die Polizisten eilten den Hang hinunter und auf das Haus zu, in dem Oscar Leutnerwall wohnte.
Auf beiden Seiten der Straße lagen imposante Villen, die sich hinter hohen Ziegelmauern verschanzten. Neben den Toren hingen polierte Messingschilder, die verrieten, welche Unternehmen hinter den Mauern ihre Geschäfte betrieben. Oft stand auf den Schildern nur ein nichtssagender Firmenname oder auch nur Initialen. In ein paar Gebäuden befanden sich Privatschulen. Obwohl das Innere der Villen von hektischer Gegenwart
erfüllt war, würden ihre protzigen Fassaden immer Denkmäler einer entschwundenen Zeit bleiben.
Andersson gedachte kurz seiner eigenen Kindheit in einem der sogenannten Landshövdingehäuser in Masthugget. Zu viert hatten sie in einer Einzimmerwohnung mit Küche und Plumpsklo auf dem Hof gewohnt. Nur in der Küche hatte es kaltes Wasser gegeben. Das Haus war in dem Jahr abgebrannt, in dem Andersson eingeschult worden war. Da niemand zu Schaden gekommen war, hatte sich die Trauer darüber, dass das Rattennest verschwunden war, in Grenzen gehalten. Die Familie hatte eine neue Wohnung in der Fjärde Långgatan zugewiesen bekommen. Zwei Zimmer und Küche, fließend kaltes und warmes Wasser und eigenes WC mit Waschbecken. Andersson konnte sich noch erinnern, dass seine Mutter vor Glück geweint hatte, als sie dort eingezogen waren.
Leif Fryxender blieb vor einem in eine hohe Mauer aus sandfarbenen Ziegelsteinen eingelassenen, massiven
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