Das Brandhaus - Roman
ja auf was.«
Fryxender wirkte recht zufrieden bei dem Gedanken, wieder in den Archiven graben zu dürfen. Andersson teilte seine Begeisterung nicht. Er seufzte nur wieder laut. In weniger als sechs Wochen gehe ich in Rente, dachte er dann.
Sie nahmen die Online-Archive der Zeitungen zu Hilfe und fragten auch bei der Sicherheitspolizei nach, um mehr in Erfahrung zu bringen. Nach sehr viel Hin und Her erhielten sie von dort ein paar Dokumente über die Diplomatencousins aus der Zeit, in der sie beim Außenministerium tätig gewesen waren.
Im Jahre 1946 hatte sich Carl-Johan Adelskiöld mit einer jungen Frau namens Greta Bergman verlobt. Sie war damals zwanzig Jahre alt und er neunundzwanzig. Zwei Jahre später lösten sie die Verlobung wieder. Aus einer kleinen Zeitungsnotiz ging hervor, dass Greta Bergman im Jahr darauf einen Arzt geheiratet hatte. Im Jahre 1951 ehelichte Carl-Johan die Operettensängerin Lilly Hassel. Diese Ehe wurde 1953 geschieden. Ab diesem Zeitpunkt gab es in Bezug auf Calle keine weiteren Angaben mehr irgendwelche Verbindungen zu Frauen betreffend.
»Keine Beziehungen nach’53«, konstatierte Andersson.
»Und wir wissen, dass er nach seiner Pensionierung hier in Göteborg in freiwilliger Isolation gelebt hat«, meinte Fryxender nachdenklich.
»Einige Jahre lang nach dem Krieg war er gesellig. Dann war plötzlich Schluss. Seit dem sechsunddreißigsten Lebensjahr war er offensichtlich nicht mehr mit Frauen zusammen. Seltsam.« Andersson dachte laut nach.
»Um nicht zu sagen, betrüblich. Laut den Geschwistern Leutnerwall war er ein geselliger Mensch.«
»Aber sein Cousin Oscar hatte dafür umso mehr Frauen. Seltsam, wenn man bedenkt, dass er schwul ist«, sagte Andersson und hielt seinem Kollegen ein Foto hin.
Das Foto war 1948 aufgenommen worden und zeigte ein junges Paar auf dem Weg zu einer Theaterpremiere. Die Frau war eine strahlende Schönheit, ihr langes schwarzes Kleid schmeichelte ihren üppigen Formen. Über die Schultern hatte sie eine Nerzstola gelegt. Unter dem Foto stand: »Die bezaubernde Schauspielerin Kerstin Dahl, 28, erschien in Gesellschaft ihres guten Freundes, des Diplomaten Oscar Leutnerwall, 33. Die beiden sind in letzter Zeit des Öfteren zusammen gesehen worden, und es wird bereits von einer bevorstehenden Verlobung gesprochen. Ein schöneres Paar kann man sich kaum vorstellen.«
Diesem Kommentar konnten die Polizisten nur zustimmen. Die beiden Menschen auf dem Foto waren ungemein gutaussehend. Oscar Leutnerwall wirkte wie eine hübschere Kopie von Cary Grant. Er hatte dichtes, dunkles Haar, scharfgeschnittene Züge und einen durchdringenden Blick. Ein Herzensbrecher, fand Fryxender.
»Aber er hatte ja mehrere gleichzeitig. Unzählige Frauen!«, konstatierte Andersson.
Sie betrachteten die Dokumente und Bilder, die vor ihnen auf dem Tisch lagen. Oscar warf sich auf ihnen mit schönen Frauen in Positur. Alle schienen glücklich zu sein, mit ihm zusammen sein zu dürfen. Er lächelte sein strahlendes Lächeln in die Kamera und schien sich pudelwohl zu fühlen.
»Eines haben diese Fotos gemeinsam«, meinte Fryxender nachdenklich.
Er schob einige von ihnen auf Andersson zu.
»Schau dir doch mal seine Augen an. Das herzliche Lächeln spiegelt sich nie in seinen Augen. Sein Blick ist eiskalt. Außerdem schaut er die Frauen nie an, sondern immer direkt in die Kamera.«
»Kein Wunder! Es wäre ihm schließlich lieber gewesen, sich mit hübschen Knaben zu zeigen. Diese Damen waren nur Tarnung. Damit wollte er verbergen, wie er wirklich war«, sagte Andersson herablassend.
»Wahrscheinlich. Es war vermutlich unpassend, dass der bezaubernde Karrierediplomat homosexuell war. So erging es schließlich auch vielen Schauspielern in Hollywood zu dieser Zeit. Sie waren verheiratet und hatten Kinder und mussten die ganze Zeit ihre sexuellen Neigungen verbergen.«
»Frauen fühlen sich immer von solchen Schönlingen angezogen.«
»Seltsam. Wo sie Kerle wie uns haben könnten«, sagte Fryxender tiefernst.
Sein mageres Gesicht verzog sich zu einem fröhlichen Grinsen, und Andersson verzog ebenfalls den Mund.
Irene umklammerte das Lenkrad so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie musste sich sehr beherrschen, um nicht das Gaspedal ihres alten Volvo durchzutreten. Das hätte auch nichts genützt, da der Verkehr zäh durch die Stadt floss. Das monotone Quietschen der Scheibenwischer machte sie normalerweise schläfrig, aber nicht an diesem Morgen. Jetzt
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