Das brennende Gewand
sie so liebte. Ich werde meine Stiefmutter bitten, sie aufzunehmen, wenn sie sich etwas besser fühlt.«
»Eine gute Idee.«
»Ich hoffe nur, dass ich damit das Verderben nicht auch noch über meine Eltern bringe«, sagte Almut düster. »Mir gefiel Leons Bemerkung nicht, dass man ihr Haus angezündet hat. Ich fürchte, da steckt noch mehr dahinter.«
Ihre Ahnungen bestätigten sich, als sie sich zur Terz an das Bett setzte, in dem ihre Schwester mit halb offenen Augen döste.
»Der Händler hat mich gewarnt«, flüsterte sie heiser. »Ich bin schon wieder so dumm gewesen.«
»Nein, das bist du nicht, Aziza. Wir haben es mit drei oder mehr ausgesprochen bösartigen Menschen zu tun, Roderich - Ramon - und seine Schwester Almodis und ihren Handlanger Derich kennen wir inzwischen.« Sie erzählte ihr, was sie über diese drei herausgefunden hatte, und Aziza hörte schweigend zu. Dann richtete sie sich auf und trank von dem mit Wasser verdünnten Wein, um ihre vom Rauch raue Kehle zu befeuchten.
»Ein unscheinbarer Mann und eine schöne, eitle Frau waren bei mir und wollten ihre Münzen in Zecchinen wechseln. Hätte ich es getan...«
»Hättest du es getan, würdest du jetzt im Kerker sitzen. Sie hatten bestimmt gehofft, dass du ihnen die falschen Münzen mit Freude aushändigen würdest. Trotz allem, Aziza, gut zu wissen, dass sie einen Fehler gemacht haben. Den ersten. Weitere werden folgen. Ich nehme an, du hast gestern das Haus für eine Weile verlassen?«
»Ich war am Nachmittag auf dem Markt und bei einem Seidenspinner. Am Abend habe ich mich mit Freunden zu einem gemeinsamen Mahl getroffen.«
»Dann hatten sie genug Zeit, in dein Haus zu gelangen und das Feuer vorzubereiten. Wie, wissen wir nicht, aber sie müssen auf dem Dach gewesen sein. Du wärst in deinem Bett verbrannt... barmherzige Mutter, wie entsetzlich!«
»Ja, deine barmherzige Mutter muss ein Auge auf mich gehabt haben.« Aziza hustete.
Almut nahm die Marienstatue von dem Tisch am Fenster und stellte sie auf den Schemel neben den Wasserkrug in Reichweite des Bettes.
»Oder Leons Schritte gelenkt haben.«
Aziza schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte trocken auf.
»Er mag dich«, stellte Almut fest.
»Kaum. Er trifft mich immer, wenn ich völlig zerschlagen bin.«
»Eben.«
Ungläubig schüttelte Aziza den Kopf.
»Dann ist er dir also nicht gleichgültig?« Ein zarter Hauch von Heiterkeit flog Almut an, als sie die familiären Konsequenzen bedachte.
»Wie seh ich denn aus, Schwester? Wie ein gerupftes Huhn.« Sie fuhr sich durch die kurzen Locken, die ihr salbenverschmiertes Gesicht umgaben.
»Sie wachsen wieder nach. Die Brandblasen sind nicht so schlimm, dass sie Narben hinterlassen werden, behauptet Elsa. Und, mit Verlaub, auch Leon sah vorhin nicht eben frisch wie der Maienmorgen aus.«
»Das macht doch nichts.«
»Eben.«
»Er ist so anders«, sagte sie ganz leise.
»Kein Herzog, kein reicher Fernhändler, kein hoher Geistlicher...«
»Das ist doch vorbei. Woher weißt du...?«
»Auch keusche Beginen haben Augen und Ohren. Aber nun schlaf ein paar Stunden, Schwesterlieb. Dann sieht die Welt schon freundlicher aus. Morgen ziehst du zu Frau Barbara. Dort hast du mehr Bequemlichkeit als bei uns arbeitsamen grauen Weibern.«
Azizas Hand legte sich über Almuts.
»Ich habe große Achtung vor euch. Auch wenn ich oft gestichelt habe.«
»Ich weiß.«
»Ich glaube, die Galmeisalbe, die Meister Krudener für meinen brennenden Ausschlag angerührt hat, könnte bei den Brandwunden deiner Schwester ebenso hilfreich sein.«
Clara und Almut räumten die Brotkörbe vom Refektoriumstisch, wo sie ihr mittägliches Mahl eingenommen hatten.
»Hast du noch davon?«
»Nein, aber ich gehe jetzt mit Ursula zum Neuen Markt. Wir wollen farbige Wolle besorgen. Da kann ich in der Apotheke vorbeischauen und ihn bitten, mir einen Tiegel mitzugeben.«
»Wenn dir das nicht zu schwer wird.«
»Ach, ja, du weißt ja, meine empfindlichen Füße. Aber ich quäle mich eben.«
Clara, stellte Almut fest, hatte zu einer leichten Art gefunden, sich selbst ein wenig zu verspotten.
Als sie fort war, schlich Almut leise die Stiege zu ihrem Zimmer empor. Aziza schlief noch, und so nahm sie endlich das Pergament zur Hand, das Clara ihr am Tag zuvor gegeben hatte. Mit wachsendem Staunen las sie die Worte der Übersetzung, und als sie geendet hatte, seufzte sie sehnsuchtsvoll. Noch nie hatte sie einen schöneren Text gelesen, noch nie einen
Weitere Kostenlose Bücher