Das Bronze-Bataillon
O'Casey nickte. »Aus welchem Grund auch immer –sie hat es nicht getan.« Sie begann sich eine andere Haarsträhne um den Finger zu wickeln. »Soweit ich weiß, hat sie einiges an Zeit mit Euch verbracht, als Ihr klein wart, Roger. Erst als Ihr größer wurdet, begann sie, mehr und mehr Zeit an anderen Orten zu verbringen.«
»Als ich begann, mehr und mehr wie mein Vater auszusehen«, schlussfolgerte er, und seine Stimme klang wie die eines Toten. Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Und, offen gestanden, sich auch mehr und mehr wie er zu verhalten«, gab O'Casey ihm Recht. »Aber es gab noch andere Gründe. Die Atmosphäre bei Hofe wurde immer spannungsgeladener, während Euer Großvater immer mehr Macht und Einfluss verlor. Und Alexandra versuchte verzweifelt, Parteigänger gegen den Putsch zu mobilisieren, den sie sich abzeichnen sah. Letztendlich ist ihr das dann auch gelungen. Und trotzdem hat sie das letzte Jahrzehnt mit dem Versuch verbracht, die Schäden, die das Kaiserreich davongetragen hat, wieder auszubügeln.«
Die Stabschefin schüttelte erneut den Kopf.
»Wenn ich ehrlich sein soll, weiß ich nicht, ob es ihr jemals gelingen kann, wirklich alle Schäden zu beseitigen. Die Lage war wieder ziemlich angespannt, als wir aufgebrochen sind. Der größte Teil der Flotte ist aus den Heimatsektoren abgezogen und in den Sektor der Saints beordert worden, der zu Jacksons Einflusssphäre gehört. Und Alexandra vertraut dem Kaiserlichen Inspektions-Korps nicht. Eigentlich kann sie nur dem Oberkommandierenden der Flotte und dem Leiter des IBI vertrauen. Aber angesichts des Drucks, den die Saints auf unsere Grenzsektoren ausüben, und der Blockade, der die meiste Zeit hindurch das Oberhaus unterliegt, sind das nur Strohhalme, an die sie sich klammert.
Das also«, schloss O'Casey, »ist die ganze Geschichte. Sowohl die, die ich immer als Fallstudie für die Aufdeckung einer politischen Konspiration angeführt habe, als auch jede zusätzliche Information, über die ich Kenntnis erhielt, als Eure Privatlehrerin geworden bin.«
Sie sah den Prinzen an, der auf die gegenüberliegende Wand starrte.
»Irgendwelche Fragen?«
»Ungefähr eine Million Fragen!«, entgegnete Roger. »Aber eine einfache zuerst: Ist das der Grund, warum mir niemals irgendeine wichtige Aufgabe zugetraut wurde? Weil ich blutsverwandt bin mit New Madrid?«, wollte er verärgert wissen.
»Teilweise«, gab sie mit einem Nicken zu. »Aber eigentlich eher wegen … Euch selbst , Roger! Ich habe nie begriffen, dass Euch niemand ›ins Bild gesetzt‹ hat – deshalb gehe ich davon aus, dass alle anderen um Euch herum genau wie ich davon ausgegangen sind, irgendjemand habe Euch bestimmt schon alles erzählt. Sie alle haben gedacht, Ihr wärt unterrichtet. Aber ausgehend von der Annahme, Ihr wüsstet um die ganze Problematik um Euren Vater herum und hättet Euch dennoch dafür entschieden, ihm in allem nachzueifern, haben sich alle in Eurer Umgebung zu der einzigen logischen Schlussfolgerung gezwungen gesehen, nämlich zu der, dass Ihr Euren Vater zum Leitbild Eures ganzen Handelns gewählt habt und nicht Eure Mutter.«
»Ach du Scheiße!«, entfuhr es Roger, und er schüttelte den Kopf.
»Die ganze verdammte Zeit über …«
»Captain Pahner hat mich zu Beginn unserer Reise gefragt, ob Ihr eine Bedrohung für den Thron darstellen würdet«, erklärte Eleanora ruhig. »Ich habe ihm geantwortet, dass ich das offen gestanden nicht wisse.« Sie blickte dem Prinzen direkt in die Augen. »Es tut mir ehrlich Leid, Roger. Aber damals war ich mir wirklich nicht sicher! Und ich weiß auch nicht, ob irgendjemand, mit Ausnahme von Kostas vielleicht, sich da sicher ist, was Euch betrifft.«
»Ist das der Grund, warum wir hier sind?«, fragte Roger, die Hand über den Augen. »Ist das der Grund, warum wir in diesem Rattenloch festsitzen?«, brachte er krächzend, aber dennoch mit ironischem Tonfall heraus. »Weil jeder gedacht hat, ich hätte mich mit Prinz Jackson verschworen? Um meine eigene Mutter vom Thron zu stürzen?«
»Ich ziehe es vor zu glauben, dass man Euch hat beschützen wollen«, erwiderte die Stabschefin. »Dass Eure Mutter den Sturm hat kommen sehen, der sich zusammenzog, und Euch aus der Gefahrenzone haben wollte.«
»Auf Leviathan.« Roger ließ die Hand sinken und sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Wo ich sicher sein würde, wenn
›erstmal die Luft brennt‹, wie Julian es ausdrücken würde, ja?«
»Ähmm«, begann
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