Das Buch aus Blut und Schatten
eine Art Leiter bildeten. Das Fenster war nicht verriegelt und öffnete sich auf leichten Druck meines Zeigefingers. Ein Fluchtweg, dachte ich.
»Es reicht«, sagte ich. Wir hatten jeden Winkel auf dem Dachboden durchsucht. »Hier ist nichts.«
»Wir können doch nicht einfach aufgeben«, protestierte Max.
Ich sprach leiser, damit Janika mich nicht hören konnte. »Wir wissen nicht einmal, ob wir nach dem Richtigen suchen. Vielleicht haben wir Elizabeth ja falsch verstanden.«
Max packte mich am Arm. »Verstehst du eigentlich, worum es hier geht?« Er drückte zu. Seine Nägel gruben sich in mein Fleisch. »Das hier ist kein SpaÃ.«
»Wer hat hier Spa�«, meinte Adriane betont locker.
»Das weià ich doch«, sagte ich zu Max.
»Aber du willst einfach aufgeben.« Max drückte noch fester zu. »Als wäre dir egal, was passiert.«
»Lass mich los.« Ich würde ihn auf keinen Fall anschreien.
»Es ist hier. Wir können es finden. Wir brauchen es.«
»Max. Lass los.«
Er sah an sich herunter, als würde es ihn überraschen, dass er mich immer noch festhielt. Er lieà los und dann starrten wir beide auf die roten Flecke, die seine Finger auf meiner Haut hinterlassen hatten. Niemand sagte etwas. Ich konnte niemandem in die Augen sehen.
»Sei vorsichtig«, stieà Eli schlieÃlich hervor. Ich wusste nicht, wem von uns beiden das galt.
Max sah aus, als würde er ihn gleich anspucken. »Halt die Klappe.«
»WeiÃt du, was?« Adriane legte Max den Arm um die Schultern. »Du und ich gehen jetzt brav nach drauÃen und dann unterhalten wir uns darüber, welche Vorteile es hat, wenn man Entspannungstechniken beherrscht und sich uns gegenüber nicht wie ein durchgeknallter Psycho verhält, weil das nämlich trotz mancher popkulturellen Meinung alles andere als cool ist. Komm mit.«
Ich machte mich darauf gefasst, dass Max sich weigern würde, aber es war noch schlimmer. Er lieà den Kopf hängen, wie bei einem Nicken, das er nicht zu Ende bringen konnte, und verlieà mit Adriane zusammen den Dachboden.
»Sonst ist er nicht so«, verteidigte ich Max.
Eli antwortete nicht.
»Eigentlich ist er nie so«, fügte ich hinzu. »Er steht unter groÃem Druck.« Ich war mir vollauf bewusst, wie lahm sich das anhörte. Was hatten sie Max in diesem Keller angetan, dass er jetzt so wütend und verzweifelt war? Und warum sagte ich immer genau das Falsche, obwohl ich doch diejenige sein sollte, die ihn am besten kannte? Er hatte die Synagoge verlassen, um nicht mehr in meiner Nähe zu sein, und das Schlimmste daran war: Ich war froh darüber.
Eli zuckte mit den Schultern.
»Und?«, fragte ich.
»Was und?«
»Willst du nicht etwas sagen?«
»Du willst nicht, dass ich etwas sage.«
»Und seit wann hält dich das davon ab, etwas zu sagen?«
»Du bist nicht sehr gut darin, dich zu entschuldigen«, meinte er schlieÃlich. »Was merkwürdig ist.«
»Und warum?«, fragte ich, bevor mir auffiel, dass die richtige Antwort gewesen wäre abzustreiten, dass ich versucht hatte, mich â für Max â zu entschuldigen.
»Weil es so aussieht, als hättest du eine Menge Ãbung darin.«
»Du hast vielleicht Schwierigkeiten damit, das zu verstehen, aber das tut man nun mal, wenn man jemanden liebt.«
Er seufzte. »Nein, Nora. Hab ich nicht.«
Bevor ich noch etwas sagen konnte, drehte er sich um und sah Janika an, die immer noch in der Ecke stand und alles mitbekommen hatte. »D Ä kuji«, rief er ihr zu.
»Ja, vielen Dank, dass Sie uns hier hochgebracht haben, obwohl Sie uns vorher gewarnt hatten, dass es zwecklos ist«, fügte ich hinzu, wobei ich darauf achtete, genügend Abstand zu Eli zu haben. Ich wollte einfach nur weg von ihm und Max. »D Ä kuji . Ich hoffe, Sie bekommen keinen Ãrger oder so.«
»Du rennst in Praha herum und stellst dumme Fragen nach dem Lumen Dei« â sie machte wieder diese komplizierte Geste und ich hörte ein gemurmeltes keyn aynhoreh , die Lieblingsmethode meiner GroÃmutter zur Abwehr des bösen Blicks â »und machst Sorgen wegen mir?« Sie lachte, aber es steckte kein Funken Heiterkeit darin. »Ãrger wird dich schon finden, darauf du kannst dich verlassen.«
»Warum sagen Sie das?«, fragte ich. Ich hatte genug von diesen ganzen
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