Das Buch aus Blut und Schatten
Sicherheit sein. Die Polizei, die Hleda Ä i â in jener Nacht hätte Schlimmeres passieren können. Viel Schlimmeres. Ich konnte es nicht riskieren, sie zu dir zu führen.«
Ich wusste, ich hätte ihm sagen sollen, dass mich jemand in Chapman beobachtet hatte, eine Gestalt im Wald, die eine Nachricht in dem schmutzigen Schnee hinterlassen hatte. »Hat dir Chris von Andy erzählt?«, fragte ich ihn stattdessen. »Warum hast du nichts gesagt?«
»Warum hast du es mir nicht selbst gesagt?«
Ich gab ihm keine Antwort.
»Siehst du. Genau deshalb. Ich dachte mir, du wolltest nicht, dass ich es weiÃ.«
»Nicht nur du«, meinte ich. »Alle.«
»Alle auÃer Chris.«
»Chris musste ich es nicht sagen. Darum gingâs.«
»Aber du hättest es ihm gesagt«, erwiderte Max. »Schon okay. Ich habâs verstanden.«
»Dir hätte ich es auch gesagt. Irgendwann.«
Jetzt, da er es wusste, wartete ich darauf, dass er Fragen stellte â nicht darüber, warum ich es ihm nicht gesagt hatte, sondern über Andy, darüber, wie es war, einen toten Bruder zu haben, oder wie es gewesen war, einen lebenden Bruder zu haben. Ich wartete ungeduldig darauf, ich hätte ihn nur zu gern in den Raum hineingelassen, in dem ich alle Geschichten eingesperrt hatte, die krassen Witze, den schrottigen Hip-Hop, den Geruch nach stinkenden Socken und Haargel, alles, was mich an meinen toten Bruder erinnerte.
»Wir sollten schlafen«, sagte Max. »Morgen müssen wir die richtige Lösung für Elizabeths Hinweis finden oder überlegen, was wir als Nächstes tun sollen. So oder soâ¦Â«
»Genau. Schlafen.«
Ich lieà zu, dass er sich an mich schmiegte und seinen Arm um mich legte. »Du weiÃt, dass ich alles tun würde, damit dir nichts passiert«, murmelte er nach ein paar Minuten.
Ich tat so, als würde ich schon schlafen.
27 Ich träumte von Toten. Nicht von Andy, nicht von Chris, sondern von Elizabeth und Rabbi Löw und von der pflichtbewussten Tochter des Rabbis, die in meinem Traum Janika hieà und mit einem Stock in der Hand das dicke grüne Moos wegkratzte, das ihrem Vater beängstigend schnell aus Nase und Ohren wuchs. Als ich aufwachte, drei Stunden vor Tagesanbruch, wusste ich plötzlich, wo wir das, wonach wir suchten, finden würden.
Als ich aufwachte, war Max fort.
Auf seinem Kopfkissen lag eine Nachricht für mich. Adriane geht es nicht gut, sie kann nicht schlafen. Wollte dich nicht wecken â sind spazieren gegangen. Bald wieder da. M
Wenn Adriane mitten in der Nacht an die Tür gehämmert und Trost gesucht hatte, musste »geht es nicht gut« eine maÃlose Untertreibung sein und ich konnte nicht glauben, dass Max mich einfach hatte weiterschlafen lassen. Und genauso wenig konnte ich glauben, dass er so dämlich gewesen war, Adriane mitten in der Nacht auf einen Streifzug durch die Stadt mitzunehmen, während er mir nur eine knappe Nachricht schrieb, mir keine Möglichkeit lieÃ, mich mit ihnen in Verbindung zu setzen, und mir schon wieder eine schlaflose Nacht bereitete, in der ich nichts anderes tun konnte, als wach zu liegen und darauf zu warten, dass sie wiederkamen â oder darauf, dass sie nicht wiederkamen.
Ich glaube nicht, dass ich ihn bestrafen wollte, als ich meine Jeans anzog und zum anderen Ende des Flurs tappte, wo ich nur kurz zögerte, bevor ich klopfte. Es sollte keine Lektion für ihn sein: Du verschwindest, du lässt mich allein , schon wieder, also erwarte bloà nicht, dass ich dasitze und auf dich warte, wenn du zurückkommst . Doch als Eli mir aufmachte, mit geröteten Wangen und Haaren, die ihm in schwarzen Igelstacheln vom Kopf abstanden, und die Tür weit aufriss, sobald ich die magischen Worte »Ich weiÃ, was es ist« ausgesprochen hatte, wusste ich, dass Max wieder stinksauer sein würde, egal, was als Nächstes passieren würde. Und dass es mir eigentlich egal war.
»Die âºgröÃte Schöpfungâ¹ des Rabbis«, sagte ich zu Eli, während ich krampfhaft versuchte, nicht auf seinen nackten, überraschend muskulösen Oberkörper und das Tattoo in Form eines schwarzen, gezackten Kreuzes über seinem Herzen zu starren. Das Tattoo wirkte wahrscheinlich ziemlich billig, aber vielleicht lag es an der schwachen Beleuchtung, am Schlafmangel oder an einer vorübergehenden krisenbedingten
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