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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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wenn sich mein Weg mit Václavs kreuzte, so tat, als wüsste ich nichts von seinem Geheimnis und er nichts von meinem. Ich wagte es nur, Gott um Führung zu bitten, doch wie stets war die Antwort nur Schweigen.
    Vielleicht ist das der Grund dafür, warum ich es tat. Vielleicht hatte ich die Geduld verloren und wollte nicht mehr warten, bis Er antwortete. Das Lumen Dei musste freiwillig gegeben werden, so hatte Thomas gesagt, und so gab ich es auch. Es war weder für Silber noch um mein Leben zu retten, weshalb ich das Lumen Dei in jener Nacht an den Stadtrand brachte und das Vermächtnis unseres Vaters hergab. Wenn ich es bei Groot gelassen hätte, wäre die Maschine dem Kaiser überlassen worden. Vergib mir, Bruder, doch dem Mörder unseres Vaters konnte ich kein solches Geschenk machen. Ich konnte Rudolf und seinem Erben nicht die Macht über diese und die nächste Welt geben, ich konnte nicht zulassen, dass der Kontinent für ein Jahrtausend der Herrschaft der Habsburger unterworfen wurde.
    Ich glaubte, das Richtige zu tun. Ich konnte doch nicht wissen, was geschehen würde.
    Das jedenfalls sage ich mir immer wieder, in den schlaflosen Stunden vor Tagesanbruch. Ich konnte es nicht wissen.
    Doch eins weiß ich. Am meisten – und könnte man dies mit Tränen bemessen, gäbe es genug davon, um den Fluss über die Ufer treten zu lassen – bedaure ich, dass ich Thomas an jenem Tag verließ, ohne ihm die Wahrheit zu sagen. Ich bedaure, dass die letzten Worte, die ich zu ihm sagte, harsch waren und dass er es nie erfahren wird. Dass ich ihm in dem Moment vergab, in dem ihm seine Beichte über die Lippen kam. Dass ich keine andere Wahl hatte.
    Sie hatte ihm vergeben. So unfassbar, so unmöglich das auch schien, sie hatte ihm vergeben. Ich war entsetzt. Und vielleicht, wider besseres Wissen und trotz annähernd zwei Jahrzehnten feministischer Erziehung, war ich ein bisschen beschämt, weil ich es nicht fertiggebracht hätte. Sie hatte ihn so sehr geliebt, dass sie ihm vergeben konnte, egal, was er getan hatte. Und dann hatte sie ihn trotzdem verloren.
    Vermutlich war es so besser für sie gewesen.
    Ich konnte von Groot stehlen, mein Bruder, doch von Dir kann ich das nicht. Das ist der einzige Grund, warum ich das Lumen Dei nicht zertrümmert, sondern mit aller Sorgfalt auseinandergenommen und Dich auf diesen gefährlichen Weg geführt habe. Du hast jetzt Keplers Berechnungen und nun brauchst Du nur noch den Kern des Apparats zusammenzubauen, das Innere aus Messing und Holz jener Maschine, die mir kein Leid mehr zufügen kann, doch Dir und Deiner Welt unsagbares. Wir wissen beide, wie einfach es ist, eine Warnung zu ignorieren. Ich habe gelernt, dass das auch töricht ist. Doch es mag töricht sein, so viele davon auszusprechen, während ich Dir doch gleichzeitig alles gebe, was Du brauchst, um weiterzumachen.
    So wenig in dieser Welt ist für die Ewigkeit, doch mir scheint, meine Torheit gehört dazu.
    Dein Weg endet hier –
    Der Rest war auf Englisch.
    BE IT BUT GREEN EVIL, THE MYTH TRODS.
    LURE A RARE SKY.
    HOW, FATHER? VISIT. WIN.
    MOUTH WELT, BE THORN.
    Ich kannte Elizabeth gut genug, um zu wissen, dass ihre Lyrik nie nur Lyrik war. Vor allem, wenn sie ungefähr so lyrisch war wie die mit Buntstiften gemalte Muttertagskarte eines Grundschülers. Ich spielte mit den sinnlosen Wörtern herum, versuchte, verschiedene Algorithmen zum Austauschen der Buchstaben anzuwenden, suchte im Rest des Briefes nach einer Zahl, einem Hinweis, irgendetwas, was mir die Antwort gab. Ich konnte nichts finden.
    Wir waren so nah dran. Noch ein Teil, das war alles, was die Hleda č i brauchten, um nach vier Jahrhunderten ihren Traum zu erfüllen. Und das hier war der Schlüssel dazu, um sie aufzuhalten. Elizabeth hatte mich nicht davon überzeugen können, dass das Lumen Dei es wert war zu töten oder dass es in den Händen der Hleda č i gefährlicher war, als irgendwo auf einer Müllkippe, also gab es vielleicht keinen Grund dafür, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich tat es trotzdem. Es war so ziemlich das Einzige, was für mich noch wichtig war – es war das Einzige, was noch übrig war. Sie hatten mir Chris genommen. Sie hatten mir Max genommen. Elizabeth oder ihr Vermächtnis würden sie mir nicht nehmen. Es war mir vollkommen egal, ob das Lumen Dei die Welt wert war oder einfach wertlos, aber sie würden

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