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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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hinuntergingen.
    Â»Frag.«
    Â»Was passiert jetzt? Ich meine, mit dir? Nach dem, was du getan hast?«
    Â»Interessiert dich das denn?«, fragte er leise.
    Â»Du hast gesagt, ich kann alles fragen, was ich wissen will. Und das will ich wissen.«
    Vor uns ragte die Brücke auf, auf der sich die Touristen drängten. Ich zog Max’ Jacke enger um mich und vergrub die Finger in der rauen Wolle. Von Osten peitschte mir ein kalter Wind ins Gesicht.
    Â»Ich habe meinen Eid gebrochen«, antwortete Eli leise. »Das ist keine Sünde, die einem vergeben wird. Meine Eltern haben das immer sehr deutlich gesagt.«
    Â»Aber sie sind doch deine Familie.«
    Er nickte, aber es war kein zustimmendes Nicken. Es sah eher aus, als hätte er den Willen verloren, seinen Kopf oben zu behalten. »Ja. Das waren sie.«
    21 Er hatte mir das Leben gerettet. Also tat ich ihm den Gefallen. Adriane wollte sich um neun Uhr mit mir treffen; wir kamen um acht. Der leere Platz, der an das Restaurant angrenzte, bot wenig Möglichkeiten, um sich zu verstecken, doch Eli war der Meinung, dass ein paar große Müllcontainer, die unter einem Torbogen standen, für unsere Zwecke geeignet waren. Also kauerte ich mich mit ihm zusammen hinter die braunen Plastikbehälter – wobei ich mir wie ein Idiot vorkam – und wartete. Von unserem Standort aus konnten wir den gesamten Platz und das Ende der kleinen Gasse sehen, die zum Restaurant führte. Gesprächsfetzen drangen zu uns, wenn hin und wieder einige Restaurantbesucher auf den Geruch von Essen zugingen. Doch um diese Zeit waren es noch nicht viele. Und natürlich keine Spur von Adriane, die noch nie in ihrem Leben zu früh gekommen war.
    Â»Das ist doch bescheuert«, flüsterte ich schließlich. Langsam bekam ich Krämpfe in den Beinen.
    Â»Dann geh ins Restaurant. Ich werde hier warten.«
    Â»Ja, klar. Als würde ich zulassen, dass du ihr auflauerst.«
    Â»Du weißt, dass ich ihr nichts…«
    Â»Vergiss es. Wir warten zusammen. Dann kann ich dir wenigstens um die Ohren hauen, dass ich recht hatte, wenn nichts passiert.«
    Sie kam, als die Kirchturmglocken 8.30 Uhr schlugen. Eine halbe Stunde zu früh, doch sie rannte auf den Platz, mit geröteten Wangen und völlig außer Atem. Dann drehte sie sich langsam im Kreis, ihr Blick der Lichtstrahl eines Leuchtturms, der die Umgebung absuchte – nach uns, dachte ich, obwohl wir keinen Grund hatten, hier zu sein. Als ich sie sah, als ich wusste, dass ich den letzten Menschen, den ich noch hatte, nicht verloren hatte, als ich wusste, dass Eli sich geirrt hatte, dass Adriane trotz der Lügen und der verborgenen Motive aller anderen immer noch einfach nur Adriane war, konnte ich endlich wieder richtig atmen. Und dann wurde mir klar, dass ich mich geirrt hatte.
    Genau genommen hörte ich es zuerst. Ich erkannte den leicht gereizten Tonfall in den Worten, noch bevor ich die Stimme erkannte, weil ich so oft gehört hatte, wie er genau den gleichen Satz an sie gerichtet hatte. »Du kommst zu spät.«
    Elis Hand war auf meinem Mund, bevor ich keuchen konnte. Oder schreien. Oder was auch immer eine angemessene Reaktion darauf war, wenn der tote Freund die Arme um die beste Freundin schlingt und ihr seine Zunge in den Mund steckt.
    Eli packte mich an den Schultern, hielt mich an Ort und Stelle oder vielleicht hielt er mich auch nur aufrecht. Er kannte mich nicht so gut, wie er dachte, wenn er annahm, dass ich zusammenbrechen würde.
    Es hätte keine Überraschung sein sollen, dachte ich zum zweiten Mal an diesem Tag, als die beiden übereinander herfielen. Adrianes geschmeidiger Körper wickelte sich um den seinen, schlanke Arme liebkosten ihn, Adriane an eine Wand gedrückt, sich gegen seine schmalen Hüften drängend, Max’ gierige Zunge, die über ihre Lippen wanderte, über ihr Genick, über mehr.
    Es hätte keine Überraschung sein sollen, dachte ich, denn Eli hatte recht gehabt mit den Hinweisen – Eli hatte sie gesehen, Eli hatte sie gelesen, Eli war nicht blind gewesen vor lauter Verzweiflung, es nicht wissen zu wollen. Was gab es sonst noch, das ich nicht hatte wissen wollen? Welche anderen felsenfesten Fakten meines Lebens waren eine Lüge, und wie viele Felsen konnten bersten, bevor das Fundament nachgab und ich in die Leere darunter stürzte?
    Es hätte keine Überraschung sein dürfen. Aber es war

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