Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1
erstarrten.
Meine Mutter sagte einen Moment gar nichts, sondern lauschte nur der Stimme des Anrufers. Dann rief sie: »Helmut! Dein Chef! Komm mal bitte!« Sie legte das Telefon neben die Ladestation auf das Schränkchen. Gott sei Dank! Sie wusste noch nichts.
Aber es blieb spannend, denn sie blieb neugierig neben dem Telefon stehen, als Vater mit verwundertem Gesicht den Hörer nahm.
»Ja?«, fragte er leise und räusperte sich. »Herr Krauthahn? Sie? Aber was …? … Wie bitte? … Ich verstehe nicht … «
Meine Mutter verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Vati. Wir hatten so eine Ahnung, dass er wohl nicht drum herumkommen würde, Mutti die Wahrheit zu gestehen. Tommy zog mich am Arm und ich verstand. Wenn sich die beiden gleich unterhalten würden, dann sollten wir uns besser zurückziehen. Leise schlichen wir in mein Zimmer und zogen die Tür sachte hinter uns zu.
Sanne guckte ganz unglücklich. »Jetzt kommt alles raus«, sagte sie und schaute zur Tür.
»Besser, euer Vater beichtet jetzt alles, als wenn das Ganze dann hinterher rauskommt«, meinte Tommy.
Da hatte er wohl recht. Wie hatte Vater immer gesagt: Lügen haben kurze Beine!
Wir machten es uns auf dem Teppich in meinem Zimmer bequem. Ich riss die erste extra große Chipstüte auf und schüttete deren Inhalt in die Schüssel. Janine goss jedem von uns Wasser ein, und dann hatten wir endlich alles, was wir brauchten. Dachte ich jedenfalls, aber als ich die Augen von Jever und Lazy sah, musste ich doch noch mal hoch, schlich mich an meinen Eltern vorbei, die sich inzwischen zur Aussprache in der Küche verschanzt hatten, und besorgte aus der Kammer zwei Kauknochen. Als wir dann alle sechs was zum Futtern hatten, konnten wir endlich mit unserer Diskussion beginnen.
»Ich meine«, begann Tommy, »wir sollten jetzt sehr vorsichtig mit den restlichen Wunschkugeln umgehen, damit nicht noch was passiert. Und wir wissen ja nicht, wozu wir sienoch brauchen. Lasst sie uns hier vor uns in die Mitte legen. Ich glaube, die Wunschkugeln funktionieren nur, wenn man sie bei sich trägt.«
Sanne schüttelte den Kopf.
»Nein, du hast doch heute Morgen auch Gedankenlesen können, obwohl das Buch der Gaben auf dem Küchentisch lag.«
»Ja«, musste Tommy zugeben, »da hast du recht. Trotzdem. Ich denke, wir sollten lieber vorsichtig sein.«
Also holten Sanne und Janine ihre Wunschkugeln hervor und legten sie neben das Buch, das Tommy bereits zuvor zwischen uns abgelegt hatte. Meine Holografie drückte sowieso beim Sitzen. Also nahm ich sie aus der Tasche und ließ sie langsam zu den anderen Dingen rollen.
»Meint ihr, dass wir die Sachen bekommen haben, um unserem Vater zu helfen?«, fragte ich. Ich erhielt keine Antwort.
»Vielleicht«, antwortete Sanne schließlich. »Ich weiß nur, dass wir alles nur bis zum Ende einer Mondphase behalten dürfen. Wir müssen endlich wissen, wie lange die noch dauert.«
Sanne hatte recht. Wenn wir wüssten, wie lange wir Zeit hätten, dann konnten wir wesentlich ruhiger an die Sache herangehen. Oder auch nicht. Eine Weile hörte man nur die Geräusche, die die Chips beim Kauen machten, und das Nagen unserer beiden Hunde, die genüsslich an ihren Büffelhautknochen kauten.
»Diese Grübelei bringt uns auch nicht weiter«, sagte ich und wollte die andern aufheitern. »Vielleicht sollten wir es einfach auf uns zukommen lassen, und bis dahin verwünscht sich Sanne noch ein paar Mal.«
Tommy lachte. »Bloß nicht, nachher zählt jemand nach, wenn wir das Buch zurücklegen müssen! Außerdem haben wir nicht mehr viele Wunschkugeln.«
Auf einmal leuchtete die Deckenlampe, wie von Geisterhand angeknipst, auf und wir sahen überrascht nach oben.
»Ah, mein Vater hat es doch endlich geschafft, die Lampe anzubringen. Dann haben sie sich ja nicht lange gestritten. Der Strom ist wieder da! Jetzt kann ich endlich an den Computer«, sagte ich und wollte aufstehen. Doch Janine hielt mich zurück.
»Warte noch einen Moment. Tommy … «, sagte sie eindringlich, »… wenn du nicht an Gedankenlesen gedacht hättest, welche Gabe hättest du dann gewählt?«
Tommy sah sie überrascht an. »Keine Ahnung. Darüber wollten wir doch gemeinsam nachdenken.«
»Sag schon. Welche?«, drängte Janine.
Wir sahen Tommy den Zwiespalt an, in dem er sich befand. Er wich unseren Blicken aus und senkte den Kopf.
»Du hättest gar keine andere gewählt, stimmt’s?«, sagte Janine leise.
Tommy nickte. Ein, zwei Minuten sagte niemand
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