Das Buch der Illusionen
inzwischen fertig, und er zog in das alte, das kleine, das sie als erstes gebaut hatten. Dort habe ich als Kind mit meinen Eltern gewohnt, und dort wohne ich noch heute - in diesem Sechszimmerhaus aus Lehmziegeln im Schatten von Hectors Bäumen - und schreibe an meinem wahnsinnigen, endlosen Buch.
Aber was war mit den anderen Leuten, die auf die Ranch kamen? Es wurden Schauspieler geholt, hast du erzählt, und dein Vater muss doch auch technische Hilfe bekommen haben. Es ist unmöglich, mit nur vier Leuten einen Film herzustellen. Das weiß sogar ich. Mag sein, dass sie mit der Vor- und Nachbereitung alleine fertig werden konnten, aber ganz bestimmt nicht mit der eigentlichen Produktion. Und wenn man erst mal Leute von außerhalb kommen lässt - wie soll das denn gut gehen? Wie soll man sie am Reden hindern?
Indem man ihnen sagt, dass man für jemand anderes arbeitet. Man behauptet, man arbeite im Auftrag eines exzentrischen Millionärs aus Mexico City; der Mann sei so vernarrt in amerikanische Filme, dass er mitten in der amerikanischen Wildnis ein eigenes Studio gebaut und einen beauftragt habe, Filme für ihn zu machen - Filme, die außer diesem Mann kein Mensch jemals zu sehen bekommen solle. Das ist die Abmachung. Wer auf die Blue Stone Ranch kommt, um an einem Film zu arbeiten, tut dies unter der Voraussetzung, dass dieser Film nur von einem einzigen Menschen gesehen werden wird.
Das ist doch grotesk.
Mag sein, aber viele Leute haben die Geschichte geschluckt.
Um so was zu glauben, muss man schon ziemlich verzweifelt sein.
Du kennst wohl nicht viele Schauspieler, oder? Das sind die verzweifeltsten Menschen der Welt. Neunzig Prozent von ihnen sind arbeitslos, und wenn man ihnen einen Job mit einem anständigen Lohn anbietet, stellen sie nicht viele Fragen. Sie wollen nur eine Chance zum Arbeiten. Hector war nicht hinter großen Namen her. Von Stars wollte er nichts wissen. Er wollte Profis, die was können, und da er seine Drehbücher für kleine Besetzungen schrieb - manchmal nur zwei oder drei Rollen - war es nicht schwer, solche Leute zu finden. Wenn er mit einem Film fertig war und sich für den nächsten startklar machte, konnte er jedes Mal unter zahlreichen Schauspielern auswählen. Von meiner Mutter abgesehen hat er mit keinem Schauspieler mehr als einmal gedreht.
Na schön, vergessen wir mal die anderen. Aber was ist mit dir selbst? Wann hast du den Namen Hector Mann zum ersten Mal gehört? Du kanntest ihn als Hector Spelling. Wie alt warst du, als du herausgefunden hast, dass Hector Spelling und Hector Mann ein und derselbe sind?
Das habe ich immer gewusst. Wir hatten auf der Ranch die komplette Reihe der Kaleidoscope-Filme, und als Kind habe ich die alle sicher fünfzigmal gesehen. Sobald ich lesen gelernt hatte, wusste ich, dass Hector mit Nachnamen Mann hieß, nicht Spelling. Als ich meinen Vater danach fragte, sagte er, Hector habe als junger Mensch einen Künstlernamen benutzt, aber da er jetzt ja nicht mehr als Schauspieler arbeite, habe er ihn wieder abgelegt. Ich fand diese Erklärung absolut plausibel.
Ich dachte, diese Filme wären alle verschwunden.
Waren sie auch fast. Im Prinzip hätte es sie gar nicht mehr geben dürfen. Aber als Hunt schon Konkurs angemeldet hatte, ein, zwei Tage bevor die Polizei kam, um seine Habseligkeiten zu beschlagnahmen und das Haus zu versiegeln, sind Hector und mein Vater bei Kaleidoscope eingebrochen und haben die Filme gestohlen. Die Negative waren nicht da, aber sie konnten Kopien aller zwölf Komödien mitnehmen. Hector gab sie meinem Vater zur Aufbewahrung, und zwei Monate später war Hector verschwunden. Als mein Vater 1940 auf die Ranch zog, hat er die Filme mitgebracht.
Wie hat Hector darauf reagiert?
Verstehe ich nicht. Wie hätte er reagieren sollen?
Das frage ich dich. Hat er sich gefreut oder nicht?
Gefreut. Natürlich hat er sich gefreut. Er war stolz auf diese kleinen Filme, und er war froh, sie wieder zu haben.
Warum hat er dann so lange gewartet, ehe er sie wieder in die Welt hinausgeschickt hat?
Wie kommst du darauf, dass er das getan hat?
Keine Ahnung, nur so eine Annahme...
Ich dachte, das wüsstest du. Ich war das. Ich habe sie herumgeschickt.
So was Ähnliches hatte ich vermutet.
Und warum hast du nichts gesagt?
Ich fand, ich hätte nicht das Recht dazu. Es hätte ja ein Geheimnis sein können.
Ich habe keine Geheimnisse vor dir, David. Was ich weiß, sollst du auch wissen. Kapierst du nicht? Ich habe diese Filme
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