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Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung

Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung

Titel: Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiernan Cate
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genauer an und bewunderte die leidenschaftlichen Farbkleckse und -streifen auf der fein geäderten Haut. Einige waren noch halb grün, und ich stellte mir vor, dass sie überrascht waren, dass sie schon auf dem Boden gelandet waren. Einige waren fast ganz trocken und braun, doch mit einem trotzigen roten Rand oder blutroten Spitzen, als hätten sie auf dem Weg nach unten an der Rinde gekratzt. Andere waren in einem herbstlichen Feuer aus Gelb, Orange und Karmesinrot entflammt, und manche waren immer noch sehr klein, zu jung, um zu sterben, doch zu spät geboren, um zu leben.
    Ich drückte die Handfläche gegen ein knisterndes Blatt, das so groß war wie meine Hand. Die Farben fühlten sich warm an auf meiner Haut, und mit
geschlossenen Augen erspürte ich Eindrücke von warmen Sommertagen, der Freude, im Wind zu flattern, dem zähen Festhalten und dann dem ängstlichen und zugleich beglückenden Loslassen im Herbst – vollendet zu Boden schwebend. Ich spürte den Duft der Erde.
    Plötzlich blinzelte ich, spürte Cals Gegenwart.
    »Was erzählt es dir?«, trieb seine Stimme von der Hintertreppe auf mich zu. Ich zuckte zusammen und schwankte auf den Fersen nach hinten. Als ich aufschaute, sah ich Mary K. an der Hintertür, die Cal, Bree und Robbie den Weg in den Garten gezeigt hatte.
    Ich betrachtete sie im späten Nachmittagslicht. Ich sah mich um, suchte nach meinem Blatt, doch es war verschwunden. Ich stand auf und wischte mir die Hände ab.
    »Was ist los?«, fragte ich und sah von einem Gesicht ins andere.
    »Wir müssen mit dir reden«, sagte Bree. Sie wirkte distanziert, sogar ein wenig gekränkt, ihre vollen Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengekniffen.
    »Ich habe es ihnen erzählt«, offenbarte Robbie. »Ich habe ihnen erzählt, dass du mir einen selbst gemachten Trank in einem Behälter gegeben hast und dass der meine Haut geheilt hat. Und ich … ich will wissen, was drin war.«
    Entsetzt riss ich die Augen auf. Ich hatte das Gefühl,
sie urteilten über mich. »Katzenminze«, sagte ich zögerlich. »Katzenminze und Kamille, Engelwurz und … ähm, Rosmarin und Gurke. Kochendes Wasser. Ein paar andere Sachen.«
    »Wassermolchaugen und Krötenhaut?«, neckte Cal.
    »War es ein magischer Spruch?«, fragte Bree mit gerunzelter Stirn.
    Ich nickte, richtete den Blick auf meine Schuhe und schob sie durch das Laub. »Ja. Ein magischer Spruch für Anfänger. Aus einem Buch.« Ich sah zu Robbie auf. »Ich habe sorgfältig darauf geachtet, dass es keine nachteilige Wirkung haben kann«, sagte ich. »Ich hätte dir die Tinktur nie gegeben, wenn ich gedacht hätte, sie könnte dir schaden. Ich war mir sogar ziemlich sicher, dass sie überhaupt keine Wirkung zeigen würde.«
    Er erwiderte meinen Blick. Mir fiel auf, dass er hinter der klobigen Brille und dem langweiligen Haarschnitt das Zeug dazu besaß, richtig gut auszusehen. Seine Züge waren von seiner schrecklichen Akne entstellt gewesen. Seine Haut, die jetzt vollkommen glatt war, war an manchen Stellen ganz leicht von feinen weißen Linien gezeichnet, als wäre sie immer noch dabei, zu heilen. Ich starrte darauf, fasziniert von dem, was ich anscheinend bewirkt hatte.
    »Erzähl«, forderte Cal mich auf.
    Die Fliegengittertür ging noch einmal auf, und meine
Mutter steckte den Kopf heraus. »Morgan, das Abendessen ist in fünfzehn Minuten fertig«, rief sie.
    »Okay«, rief ich zurück, und sie ging wieder rein, zweifellos neugierig, wer wohl der unbekannte Junge war.
    »Morgan«, sagte Bree.
    »Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll«, sagte ich langsam und richtete den Blick wieder auf das Laub am Boden. »Ich habe euch ja von dem Ausflug in das Kloster neulich erzählt, das mit dem Kräutergarten. Der Garten … Es kam mir vor, als spräche er zu mir.« Mein Gesicht lief knallrot an, so an den Haaren herbeigezogen klang das, was ich da sagte. »Ich hatte das Gefühl … als wollte ich mehr über Kräuter wissen, mehr über sie lernen.«
    »Was genau?«, fragte Bree.
    »Ich habe unendlich viel über die heilenden, magischen Kräfte von Kräutern gelesen. Cal, du hast gesagt, ich wäre … ein Energieleiter. Ich wollte einfach sehen, was passiert.«
    »Und ich war dein Versuchskaninchen«, stellte Robbie fest.
    Ich schaute zu ihm auf, diesem Robbie, den ich kaum noch wiedererkannte. »Ich hab mich total mies gefühlt, weil ich zwei Kreise hintereinander verpasst habe. Ich wollte allein ein wenig arbeiten. Und da dachte ich, ich könnte einen

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