Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung
einfachen magischen Spruch ausprobieren«,
sagte ich. »Ich meine, ich wollte nicht versuchen, die Welt zu verändern. Ich wollte nichts Großes oder Erschreckendes. Ich brauchte etwas Kleines, etwas Positives, etwas, dessen Ergebnis ich relativ schnell beurteilen konnte.«
»Wie ein wissenschaftliches Projekt«, sagte Robbie.
»Ich wusste, dass es dir nicht schaden würde«, beharrte ich. »Es war bloß Wasser und ganz gewöhnliche Kräuter.«
»Und ein magischer Spruch«, sagte Cal.
Ich nickte.
»Wann hast du es gemacht?«, fragte Bree.
»In der Nacht von Sonntag auf Montag, um Mitternacht«, sagte ich. »Ich war ziemlich deprimiert, weil ich am Samstagabend während des Kreisrituals zu Hause festsaß.«
»Ist etwas passiert, als du den magischen Spruch vollzogen hast?«, fragte Cal und sah mich neugierig an. Brees Zorn schlug in Wellen auf mich ein.
Ich zuckte die Achseln. »Es gab ein Gewitter.« Ich wollte nicht darüber reden, dass die Kerzen ausgegangen waren und dass das Donnern unglaublich laut gewesen war.
»Kontrollierst du jetzt auch schon das Wetter?«, meinte Bree, und ich hörte die Kränkung in ihrer Stimme.
Ich fuhr zusammen. »Das habe ich nicht behauptet.«
»Das ist ganz offensichtlich ein seltsamer Zufall«, sagte Bree. »Ausgeschlossen, dass du Robbies Haut heilen kannst. Um Himmels willen, Cal, sag ihr das. Keiner von uns kann so etwas. Nicht mal du könntest so etwas.«
»Doch, das könnte ich«, widersprach Cal ihr sanft. »Viele Menschen können so etwas, mit ausreichend Übung. Selbst wenn sie keine Bluthexen sind.«
»Aber Morgan hat keinerlei Übung«, entgegnete Bree mit gepresster Stimme. »Oder?«, fragte sie mich.
»Was wir hier haben, ist eine ungewöhnlich begabte Amateurin«, sagte Cal nachdenklich. »Ich bin sogar froh, dass das passiert ist, denn wir sollten über diese Sachen reden.« Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Du darfst niemals einen magischen Spruch für jemanden wirken, ohne dass sie oder er es weiß«, sagte er. »Es ist keine gute Idee, und es ist nicht sicher. Und es ist auch nicht fair.«
Er wirkte ungewöhnlich ernst, und ich nickte verlegen.
»Tut mir echt leid, Robbie«, sagte ich. »Ich weiß nicht mal, wie man es rückgängig macht. Es war dumm von mir.«
»Himmel, ich will nicht, dass du es rückgängig machst«, sagte Robbie erschrocken. »Ich … ich wünschte nur, du hättest es mir vorher gesagt. Es war mir echt unheimlich.«
»Morgan, du musst wirklich mehr lernen, bevor du mit magischen Sprüche herumexperimentierst«, fuhr Cal fort. »Es wäre besser, wenn du das große Bild sehen würdest und nicht nur viele kleine Teile davon. Es ist alles miteinander verbunden, weißt du, alles hängt mit allem zusammen, und alles, was du tust, hat Auswirkungen auf alles andere, also musst du genau wissen, was du tust.«
Ich nickte noch einmal. Ich fühlte mich schrecklich. Ich war so beeindruckt gewesen, dass mein magischer Spruch funktioniert hatte; über weitreichendere Konsequenzen hatte ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht.
»Ich bin kein Hohepriester«, sagte Cal, »aber ich kann dir beibringen, was ich weiß, und dann kannst du von jemand anderem noch mehr lernen. Wenn du willst.«
»Ja, das will ich«, sagte ich schnell. Ich blickte Bree ins Gesicht und hätte die Geschwindigkeit und Sicherheit meiner Aussage am liebsten zurückgenommen.
»Samhain, also Halloween, ist in acht Tagen«, sagte Cal und senkte die Hand. »Versuch, wieder zu den Kreisen zu kommen, wenn du kannst. Überleg es dir wenigstens.«
»Echt heftig, Rowlands.« Robbie schüttelte den Kopf. »Du bist der Tiger Woods von Wicca.«
Ich musste unwillkürlich grinsen. Brees Miene war versteinert.
Meine Mutter klopfte ans Fenster, um mir Bescheid zu sagen, dass das Abendessen fertig war, und ich nickte und winkte.
»Tut mir ehrlich leid, Robbie«, sagte ich noch einmal. »Ich tue so etwas nie wieder.«
»Frag mich einfach vorher«, sagte Robbie ohne Zorn. Wir gingen durch den Garten, und ich führte die drei durchs Haus und ließ sie vorne zur Haustür hinaus. »Bis dann«, rief ich ihnen hinterher. Cal begegnete meinem Blick.
Noch acht Tage bis Halloween.
19
EIN TRAUM
»Hexen können auf ihren verzauberten Besenstielen fliegen, die sind nicht nur zum Fegen da.«
HEXEN UND DÄMONEN
Jean-Luc Bellefleur, 1817
Die Zeichen sind alle da. Sie muss eine Bluthexe sein. Ihre Haut reißt auf und weißes Licht schimmert hindurch. Es ist schön und
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