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Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Das Buch der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aaron E Lony
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der Herr sie mit Freuden bei sich aufnehmen wird. Gedenket seiner. Erweiset ihm diesen letzten Dienst und nehmet Abschied von unserem lieben Mitschüler. Nehmet Abschied von seinem Körper, der Hülle dieses Daseins.“ Richmon bekreuzigte sich. „Vater, der du bist im Himmel. Geheiligt sei Dein Name. Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Du bist die Kraft, Du bist die Macht. Dein Wille soll geschehen für immer und für ewig. Amen.“ Wieder bekreuzigte er sich, drehte sich um und verschwand ebenfalls in der Begräbnisstätte. Langsam drückte er das verrostete Eisentor hinter sich zu. Champy ging das quietschende Geräusch durch Mark und Bein. Er hatte es schon einmal gehört, dieses Geräusch. Auch dieses Tor hatte er schon einmal gesehen. Genau dasselbe. Im Traum, dem Traum, den alle geträumt hatten. Champy bekam Zweifel. Hatte er wirklich geträumt? Konnte es nicht sein, daß er doch irgendwie dabei gewesen war? So etwas wie Nachtwandler soll es ja geben. Warum nicht er? Warum nicht?
    „Ach was“, schüttelte Champy diese Gedanken von sich. Sallivan ist ja bei ihnen gewesen. Aber wo ist Sallivan? Müßte er nicht auch bei der Beerdigung sein? Jetzt, hier an diesem Ort? Bestimmt ist er schon drin, um zu helfen. Ganz bestimmt.
    „Hast du was gesagt?“ sprach ihn Ellinoy von der Seite an, der Champys unterdrückten Ausruf vernommen hatte.
    Champy sah etwas erstaunt auf Ellinoy. „Nein – nein“, erwiderte er zögernd. „Ich fragte mich nur, warum wir nicht dabei sein dürfen.“
    „Ist besser so“, entgegnete Ellinoy. „Glaub mir, es ist besser so.“
    Als Richmon das Tor hinter sich zugedrückt hatte, blieb er stehen und blickte auf das Grab, das unweit von der Steinhütte ausgehoben war. Auf Anhieb fiel ihm auf, daß es etwas breiter war als ein gewöhnliches Grab. Richmon konnte sich nicht daran erinnern, es in der Nacht gesehen zu haben.
    „Kommen Sie“, rief ihm Mr. Goodman zu, der am Eingang der Hütte stand. „Bringen wir es hinter uns.“
    Richmon gehorchte. Was sollte er auch tun? Es gab keine Möglichkeit für ihn, irgend etwas zu ändern. Er hoffte nur, daß es von den Schülern verstanden wurde, daß sie nicht dabei sein dürfen. Erst wenn das Grab zugeschüttet ist, kann die eigentliche Zeremonie beginnen. Erst dann, keine Minute früher. An dem Erdloch angelangt, warf Richmon einen prüfenden Blick auf das Tor. Der Winkel war zu steil, um sie von außerhalb sehen zu können. Danach musterte er das Grab. Es war nicht sehr tief. Nicht so tief wie ein Grab normalerweise sein müßte. Dafür war es um so breiter. Breit genug, um zwei Leichname nebeneinander legen zu können. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als er sich dem Internatsleiter zuwandte. Erst jetzt fiel ihm auf, daß dieser Gummistiefel trug. Sie waren verdreckt bis oben hin.
    „Sallivan zuerst“, zischte Mr. Goodman. Pater Richmon schluckte. Es blieb ihm keine andere Wahl, Sallivan mit dem Jungen zu beerdigen. Ständig mußte Richmon noch an die Person denken, die er für Sallivan gehalten hatte. Er war sich seiner Sache so sicher. Eindeutig hatte er Sallivan gesehen, wie er vor ihm davongerannt war. Seine Nackenhaare sträubten sich, wenn er an die vergangenen Tage dachte. Und andauernd mußte er daran denken. Andauernd.
    „Auf was warten Sie?“ riß ihn Goodman aus seinen Gedanken. Nicht das geringste Mitgefühl war in Goodmans Augen zu lesen. Kalt, eiskalt wollte er so schnell wie möglich Sallivan unter die Erde bringen.
    „Was sind Sie für ein Mensch?“ hauchte Richmon verbittert.
    „Reden Sie nicht!“ erwiderte Goodman barsch, drehte sich um und trat in das Innere der Steinhütte. Richmon folgte. Widerwillig setzte er seinen Fuß über die Schwelle des Totenraumes. Die Luft blieb ihm weg, so sehr stank es nach Verwesungsgerüchen.
    Da lag er. Sallivan. Noch genauso, wie er ihn verlassen hatte. Enthäutet, enthauptet, die rechte Hand abgeschnitten. Doch sein Kopf, Richmon konnte nirgends Sallivans abgetrennten Kopf entdecken. Ebenso die abgeschnittene Hand, beides fehlte. Goodman hatte ihm den Rücken zugewandt. Er hielt etwas in seinen Händen, das er vom Boden aufgehoben hatte. Langsam drehte Goodman sich um. Er streckte Richmon einen Sack entgegen. Ein alter Kartoffelsack, der teilweise rot gefärbt war. Etwas Rundes mußte sich darin befinden. Die Öffnung war mit einer Kordel zusammengebunden.
    „Werfen Sie es ins Grab“, forderte Goodman den Pater auf. Richmon

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