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Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Das Buch der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aaron E Lony
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wollen“, entfuhr es Schwester Maria. „Ihre Sturheit müssen Sie noch teuer bezahlen.“ Schwungvoll drehte sie sich um und öffnete die Tür.
    „Fragen Sie Rouven“, murmelte Richmon, so daß Schwester Maria es noch gut verstehen konnte. „Er soll Ihnen erzählen, was hier gespielt wird.“
    Die Schwester hielt einen Augenblick inne. Kurz schien sie nachzudenken, worauf sie sich dem Pater wieder zuwandte.
    „Rouven ist verschwunden“, hauchte sie nur. „Spurlos verschwunden.“
    Das hatte Richmon nicht erwartet. Sichtlich erschrocken blickte er Schwester Maria an. „Und das sagen Sie erst jetzt?“ machte er nun ihr einen Vorwurf.
    „Ich habe ihn schon überall gesucht“, flüsterte Schwester Maria. „Ich dachte, er sei bei Ihnen.“ Noch ehe Richmon etwas erwidern konnte, hatte sie das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich zugedrückt.
    Richmon rührte sich nicht. Er starrte nur auf die Tür. Rouven , schoß es ihm immer wieder durch den Kopf. Wenn ihm etwas zustößt, ist er dafür verantwortlich. Nur er ganz allein. Fieberhaft überlegte Richmon, wo Rouven sich aufhalten könnte. Irgendwo mußte er ja sein. Ein Ort, der ihm Sicherheit bot. Ein Ort, an dem er sich geborgen fühlte. Geistig durchwanderte Richmon sämtliche Räume und Plätze des Internates. Nichts schien ihm als geeignet zu erscheinen. Plötzlich, wie ein Pfeil durchbohrte es seine Gedanken. Deutlich sah er auf einmal das Bild vor Augen. Hastig griff er nach seinem Umhang, der seitlich des Schrankes an einem Bügel hing. Den Schemel schob er mit dem Fuß unter den Tisch, knipste die Lampe aus und verließ leise das Zimmer. Zweimal drehte er den Schlüssel, den er sonst immer im Schloß stecken ließ. Richmon bemerkte nicht, wie sich die Tür des Rektorates öffnete, als er daran vorbeischritt. Wenig später verließ Mr. Goodman ebenfalls das Lehrerhaus. Das Licht des Mondes war noch hell genug, um erkennen zu lassen, daß Richmon die Kirche durch den Hintereingang betrat. Goodman folgte. Vor dem Holzverschlag wartete er eine kurze Zeit, bevor er Richmon hinterherschlich.
    Die Tür zum Aufstieg des Glockenturmes stand einen Spaltweit geöffnet. Durch diesen spähte er hindurch. Richmon stand mit der Front zu ihm nicht weit von der Tür entfernt. Seinen Kopf hielt er emporgerichtet. Goodman war es, als sehe er in Richmons Gesicht eine Spur des Entsetzens. Geraume Zeit verging, ohne daß Richmon sich rührte. Plötzlich vernahm Goodman ein leises Geräusch, das vom Treppenaufgang des Turmes herrührte. Jemand schien die Stufen hinabzusteigen. Beunruhigt blickte er um sich. Es gab keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Das Geräusch kam näher. Ungewöhnlich leise huschte Goodman zu dem Holzverschlag. Er wollte den Raum verlassen. Zu spät. Nur noch wenige Stufen konnten es sein, bis der Unbekannte sie hinter sich hatte. Das Öffnen der Tür wäre unbedingt zu hören gewesen. Er sah nur noch eine Möglichkeit, sich zu verstecken. So dicht er konnte, drückte er sich in das hinterste Eck. Sollte die Person den Saal betreten, so war er gerettet. Sollte sie aber die Kirche verlassen wollen, dann war ein Entdecktwerden nicht mehr zu umgehen. Goodmans Nerven waren bis auf das Äußerste gespannt. Keine Sekunde ließ er den Aufgang aus den Augen. Bereit, denjenigen anzuspringen, falls er bemerkt werden sollte.
    Die letzte Stufe knarrte. Nur undeutlich konnte Goodman die Umrisse erkennen. Die Umrisse eines Knaben. Rouvens Umrisse. Ohne sich umzublicken, trat Rouven direkt auf die angelehnte Tür zu. Einen Moment lang spähte er durch den Spalt, bevor er langsam die Tür öffnete.
    „Rouven“, vernahm Goodman die Stimme des Paters. Rouven trat in den Saal. Die Tür ließ er hinter sich offen stehen. Schwach erleuchtete das Kerzenlicht einen schmalen Teil des dunklen Raumes. Goodman atmete auf. Vorsichtig tastete er sich an der Wand entlang bis hin zur Tür. Jedoch getraute er sich nicht, in das Innere der Kirche zu blicken.
    Rouven blieb im sicheren Abstand vor dem Pater stehen. Er sagte kein Wort. Mit ausdruckslosem Blick musterte er Richmon. Dieser versuchte die gespannte Atmosphäre durch ein Lächeln zu lockern. Doch immer wieder sprang sein Blick auf das Gemälde, das sein Lächeln augenblicklich verbannte.
    „Hast du es schon gesehen?“ fragte er Rouven nach einer Weile. Rouven nickte nur.
    „Weißt du, was es zu bedeuten hat?“ Richmon machte einen Schritt auf Rouven zu.
    „Du bist nicht mein Freund“, wehrte Rouven sofort ab.

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