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Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Das Buch der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aaron E Lony
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Dumpkin vor der Kirche hatte stehen lassen, verließ er, ohne sich in der Kathedrale aufzuhalten, auf der anderen Seite das Gebäude. Auf direktem Wege hatte er sich in seine bescheidene Behausung begeben, die nur ausgestattet war mit einem Bett, einem Schrank und einem kleinen Tisch. Als Stuhl diente ihm ein alter Schemel, den er zuweilen auch als Kleiderablage benutzte.
    Nervös blieb er vor dem kleinen Tisch stehen. Einige Seiten des Buches hatte er schon gelesen. Alles auf dieselbe Art geschrieben, aus dem er sich keinen Zusammenhalt bilden konnte. Vertieft in seine Gedanken blätterte er mehrere Seiten auf einmal um. Genau die Seite, auf der das Hexagramm, das Siegel Salomon aufgezeichnet war. Wie gebannt starrte Richmon auf das Symbol, dessen Spitzen von einem Kreis miteinander verbunden wurden. Langsam wanderte sein Blick auf das gegenüberliegende Blatt.
    Leise sprach er die wenigen Worte vor sich hin.
    „Symbol des Lebens, das erschaffen, um als Symbol zu dienen.
    Symbol des Immerwiederkehrenden. Zum Erschaffen des Lebens.
    Symbol der Macht, das Leben und Tod miteinander vereint.
    Symbol des Feuers, das Erschaffende und Vernichtende.
    Symbol des Wassers, das Unerschöpfliche.
    Symbol der Umkehrung, des Ist und nicht Ist.“
    Wieder musterte er das Zeichen. Wohl wußte er, was es zu bedeuten hatte. Auch konnte er die Worte damit in Verbindung bringen. Doch den wahren Sinn, diesen wollte er nicht nur erraten. Wissen, wissen wollte er ihn. Und je mehr er darüber nachzudenken versuchte, desto mehr schwanden seine Gedanken. Richmon wußte nicht, wie ihm momentan geschah. Jedes Wort konnte er drehen und wenden, alles blieb gleich. Vollkommen gleich. Nichts konnte er sich daraus zusammenreimen, und doch schien es ihm alles zu offenbaren.
    Ein leises Klopfen an der Tür brachte Richmon zurück. Zurück zu seinen Gedanken, die sich in dem kleinen bescheidenen Raum abspielten. Schnell klappte er das Buch zu. Wieder klopfte es an der Tür. Zaghaft, dennoch etwas lauter. Die Sitzfläche des Schemels ließ sich aufklappen wie eine Falltür. Ein leerer Kasten, in den Richmon das Buch legte.
    „Ja – bitte“, antwortete er darauf in gedämpftem Ton. Die Tür wurde geöffnet. Schwester Maria betrat das schwach erleuchtete Zimmer.
    „Ich hoffe, ich störe Sie nicht“, sagte sie. Sofort schloß sie hinter sich die Tür.
    „Nein – nein“, versuchte Richmon gleichgültig zu erscheinen. Schwester Maria lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Immer noch waren Spuren der Angst in ihrem Gesicht zu erkennen.
    „Rouven hat sich vollkommen verändert.“ Nahezu vorwurfsvoll blickte sie den Pater an. Richmon wandte sich ab, kehrte ihr den Rücken zu.
    „Wo ist Rouven?“ fragte er, ohne sie dabei anzusehen.
    „Was spielen Sie für ein Spiel, Pater Richmon?“ fragte sie ihn unvermittelt. „Was sind Sie für ein Mensch geworden?“
    Richmon drehte sich um. Seine Stirn legte sich in Falten.
    „Wo ist er?“
    Schwester Maria bewegte ihren Kopf hin und her. „Von mir werden Sie es nicht erfahren“, antwortete sie ihm abweisend. „Nicht, bevor Sie mir sagen, was hier gespielt wird.“
    „Rouven ist in Gefahr“, erwiderte Richmon. „In großer Gefahr. Sie müssen mir sagen, wo er ist. Sie müssen!“
    „Nicht bevor ich alles weiß“, beharrte die Schwester. „Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren. Die Kinder sind vollkommen durcheinander. Sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Die Kinder haben Angst. Verstehen Sie? Angst!“
    „Der Unterricht läuft morgen ganz normal weiter“, hielt Richmon dagegen.
    Schwester Maria machte einen Schritt nach vorn. Wütend funkelten ihre Augen den Pater an. „Sie haben etwas, das Rouven gehört“, forderte sie ihn heraus.
    Richmon versuchte ein Lächeln aufzulegen. „Warum kommt er nicht selbst?“
    „Dann haben Sie es?“ fragte Schwester Maria darauf.
    „Was?“ Richmon sah sie erwartungsvoll an. Schwester Maria blieb nichts anderes übrig, als klein beizugeben.
    „Das – hat er mir nicht gesagt“, entgegnete sie.
    Unmerklich atmete Richmon auf. „Wo ist Rouven?“ stellte er zum dritten Mal dieselbe Frage. Ein scharfer, zynischer Unterton hatte sich daruntergemischt. Unmißverständlich musterte er sie dabei. Schwester Maria wurde noch wütender.
    „Ich warne Sie, Pater Richmon“, drohte sie ihm. „Ich wende mich an die Obrigkeit.“
    Richmon schien dies jedoch nicht sehr zu beeindrucken. Er lächelte die Schwester nur an, sagte nichts.
    „Wie Sie

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