Das Buch der Schatten - Verwandte Geister: Band 8 (German Edition)

abgerutscht, womöglich waren bald sogar ein paar Dreier darunter. Meine Eltern würden ausflippen. Für diesen Test würde ich eine dicke, fette Sechs kassieren.
    Es sei denn …
    Es sei denn. Ich dachte an Killian, seinen Charme, seine Geschicklichkeit, die entspannte Behaglichkeit, mit der er alles anging. Das Leben war nicht freundlich mit meinem Halbbruder umgesprungen, doch er gab sich große Mühe, es leichter und lustiger zu machen. Was würde er in so einer Situation tun?
    Ich schaute zu Mr Powell auf. Ein einfacher magischer Spruch würde genügen, und er hätte vergessen, dass er uns einen Test schreiben lassen wollte. Oder er würde denken, er hätte uns den falschen Test ausgeteilt, und würde uns am nächsten Tag einen anderen schreiben lassen. Oder er würde denken, er wollte uns den Test erst nächste Woche schreiben lassen.
    Ich biss mir auf die Lippen. Was dachte ich da nur? Das war genau das, wovon Hunter immer redete: falsche Entscheidungen zu treffen, nämlich solche, von denen man selbst profitierte, die aber keine Rücksicht auf andere nahmen. Er sagte immer, das sei der Grund, warum der Rat Anfang des neunzehnten Jahrhunderts Regeln und Richtlinien eingeführt habe. Weil es so leicht war, sich falsch zu entscheiden. Und wenn man damit einmal anfing, fiel es einem irgendwann auch bei großen Dingen leicht. Und dann: Rums. Schon war man auf die dunkle Seite gewechselt.
    Ich traf jeden Tag Entscheidungen, von morgens bis abends. Ich musste mir dessen bewusster sein, musste versuchen, mit Bedacht die richtigen Entscheidungen zu treffen, Entscheidungen zum Guten. Ich fand mich also damit ab, dass das Einzige, was ich bei diesem Test richtig hinschreiben konnte, mein Name war.
    Als Killian nach der Schule nicht auf mich wartete, war ich genauso erleichtert wie enttäuscht. Ich konnte versuchen, ihm eine magische Botschaft zu schicken – aber das würde ihn vielleicht misstrauisch machen. Schließlich hatten wir uns diese Woche fast jeden Tag gesehen. Wäre ich zu anhänglich, wenn ich ihn heute schon wieder kontaktierte?
    » Hast du Lust, mit zu mir zu kommen? « , fragte Bree, als ich zu Das Boot ging. » Robbie und ich wollten ein bisschen abhängen. «
    » Danke « , sagte ich, » aber ich hab so einiges schleifen lassen. Ich fahr besser nach Hause und halt mich ran. «
    » Okay. Bis dann. «
    Während ich den Motor anwarf und die Heizung einschaltete, überlegte ich, wo Bree und Robbie in ihrer Beziehung wohl standen und wie es lief. Obwohl ich meine Freunde diese Woche alle jeden Tag gesehen hatte, fühlte ich mich seltsam unverbunden mit ihnen. Mit Killian zusammen zu sein hatte nur Spaß und Magie bedeutet. Meine Mission hatte leider nicht geheißen, miteinander zu reden, über Gefühle zu sprechen oder einander vertrauter zu werden.
    Okay. Jetzt wurde ich aber ganz schön gefühlsdusselig. So kam ich nicht weiter. Ich musste mich konzentrieren: darauf, Killian dazu zu bringen, Ciaran zu rufen, den beiden näherzukommen und Starlocket zu retten. Ich hatte keine Zeit, über meine Probleme nachzudenken. Und wahrscheinlich, dachte ich, während mir das Herz in die Hose rutschte, war das auch ganz gut so.
    Zu Hause putzte ich die Küche, lud zum ersten Mal, seit meine Eltern weg waren, die Geschirrspülmaschine voll, fütterte Dagda und reinigte seine Katzentoilette. Dann rief ich Tante Eileen an.
    » Ja, alles ist gut « , versicherte ich ihr und versuchte so zu klingen, als stimmte es. » Nein, keine gemischten Pyjamapartys. Wenigstens bis jetzt noch nicht. Ha, ha. « Nachdem wir aufgelegt hatten, ging ich rauf in mein Zimmer und setzte mich an den Schreibtisch. Ich würde eine Weile lernen und dann Killian eine magische Botschaft schicken und ihn nach Ciaran fragen.
    Ich fing mit Amerikanischer Geschichte an, wiederholte einige Kapitel und machte mir Notizen. Ich hoffte, einiges von dem Schaden des heutigen Tests mit zusätzlicher Arbeit wiedergutmachen zu können. Dagda kam angetapst und ließ sich unter der Wärme der Schreibtischlampe nieder.
    » Du hast es gut « , sagte ich. » Keine Schule, keine Eltern, keine Wahl zwischen gut und böse. Keine Geschichtstests. «
    Mist. Könnte ich doch einfach ein tàth meànma brach mit Mr Powell machen und sein ganzes Wissen aufsaugen. Dann wäre ich das Ass der Klasse.
    Zwei Stunden später aß ich einen Apfel mit Erdnussbutter zum Abendessen und machte mich bereit, Killian eine magische Botschaft zu schicken. Ich war gerade dabei, meine Gedanken