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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Horde Krieger preschte auf die Baustelle zu. An der Spitze ritt Egil Blóðsimlir auf einem schwarzen Schlachtross. Hinter ihm galoppierte Hrungnir. Das Gesicht und die Glatze des Berserkers waren mit Kohle geschwärzt.Seine Augen funkelten wie glühende Eisenstücke. Er sah aus wie der reitende Tod. Hrungnir schwang über seinem Kopf eine Streitaxt. Auch Egil hatte eine Waffe gezogen, ein Langschwert mit glänzender Klinge.
    Auf der Baustelle gingen die Arbeiter in Deckung. Sie hatten die letzte Begegnung mit Egil noch bestens im Gedächtnis.
    Helgi und Odo blieben auf dem Weg stehen. Keine zehn Schritt von ihnen entfernt zügelte der Bluttrinker das Schlachtross. Steine knirschten unter den Pferdehufen.
    Egils rote Narbe zuckte. Er wickelte etwas aus einem Leinentuch und warf es Odo vor die Füße. «Weißt du, was das ist?»
    Natürlich erkannte Odo das Geschlechtsteil sofort. Draupnirs blutverschmierter Penis war im erschlafften Zustand noch immer so lang wie eine Männerhand.
    Odo setzte eine überraschte Miene auf. «Warum bringst du mir dieses Gemächt?»
    Egil beugte sich im Sattel vor. Speichel tropfte in seinen Bart: «Weil ich dir diesen
puntr
ins Maul stopfen werde, nachdem ich dir den Kopf abgeschlagen habe.»
    Odo hob abwehrend die Hände.
    Mit einem Kopfnicken in Hrungnirs Richtung sagte Egil: «Dieser Mann hier hat seinen Bruder verloren. Sein Name war Draupnir. Man hat ihm die Arme, die Beine und den Kopf vom Rumpf getrennt – und man hat ihm den
puntr
abgeschnitten.»
    Der Priester versuchte, ruhig zu bleiben, um sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen. Hatte er etwa einen Fehler begangen?
    «Niemand», brüllte Egil, «hörst du, Munki – niemand konnte Draupnir besiegen. Kein Mann war so stark wieer. Nur ein Gott wäre dazu in der Lage. Dein Gott, Priester!»
    Daher weht der Wind also, dachte Odo. Er schüttelte den Kopf. «Der Herrgott, der Allmächtige, ist ein Gott der Liebe und der Gnade.»
    Egil trat seinem Schlachtross in die Flanken. Drohend näherte er sich Odo und spuckte ihm ins Gesicht. Aber Odo rührte sich nicht von der Stelle. Er will, dass ich fliehe, dachte er. Der Heide würde es als Schuldeingeständnis werten und mich erschlagen.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte Odo, dass der junge Däne neben ihm nervös von einem Fuß auf den anderen trat. Aber er versteckte sich nicht wie die anderen Feiglinge.
    «Ein Gott der Liebe und der Gnade», brüllte Egil. Dabei spie er jedes einzelne Wort so angewidert aus, als habe er in vergammeltes Fleisch gebissen.
    «Hovi kennt keine Gnade mehr mit dir und deinem Christenpack! Der Jarl hat die Götter befragt. Sie haben ihm die Schuldigen gezeigt: Die Munkis haben Draupnir getötet. Sie und ihr verfluchter Gott. Er ist schuld an der Hungersnot. Er hält die Männer von der Arbeit am Wall ab. Er stopft die Menschen voll mit Geld, sodass sie fett und faul werden und nicht mehr in den Krieg ziehen wollen. All dies geschieht, seit die Munkis in Haithabu ein Steinhaus bauen. Nicht einmal der große Jarl lebt in einem Haus mit Steinwänden.»
    Egil richtete sich auf seinem Pferd zu voller Größe auf und drehte sich wutschnaubend zu den Kriegern um. «Hört durch mich Hovis Worte. Zerstört das Steinhaus und vernichtet die Kreuzanbeter! Tod den Christen! Schickt sie nach Hel!»
    Odo wankte. Es war zum Verzweifeln. Eben noch hatte er geglaubt, dass Ansgar der Einzige war, der seine Pläne zu durchkreuzen drohte, doch jetzt schien alles verloren.
    Die Krieger setzten sich in Bewegung. Egil wartete, bis sie zu ihm aufgeschlossen hatten. Dann riss er sein Schwert hoch, um Odo zu enthaupten.
    Doch plötzlich zischte ein Schatten durch die Luft und knallte mit voller Wucht gegen Egils Brustpanzer. Der Hauptmann stieß einen keuchenden Laut aus und erstarrte in der Bewegung. Sein Gesicht lief rot an. Das Schwert entglitt seiner Hand. Egil rutschte aus dem Sattel und kippte wie ein gefällter Baum zu Boden.
    Odo drehte sich zu dem Dänen um. Helgi starrte fassungslos auf seine Hände. Offensichtlich konnte er selbst nicht glauben, was er soeben getan hatte: Er hatte Blóðsimlir mit den Eisenbarren außer Gefecht gesetzt.
    Während Helgi noch immer benommen war, preschte Hrungnir vor und schlug mit der Axt nach ihm. Geistesgegenwärtig riss Helgi seinen Kopf zur Seite. Doch der Axtstiel traf seine Stirn.
    Er wankte, drehte sich einmal, zweimal um die eigene Achse, taumelte. Dann knickten seine Knie ein.
     
    Ansgar schlug entsetzt die Hand vor den

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