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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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leider kein Geld», erwiderte Ingvar und gab den Umhang zurück.
    Der Händler verzog das Gesicht. «Das sagen sie alle. Ich mache schlechte Geschäfte in dieser Stadt. Deshalb werde ich Euch dieses Stück für den halben Preis geben. Fünf Silbermünzen – und es gehört Euch.»
    Gerne hätte Ingvar dem Mann etwas abgekauft. Er liebte feine Kleider. Bedauernd schüttelte er den Kopf und wollte gerade weitergehen, als sein Blick auf einen purpurfarbenen Stoff fiel.
    Rustah bemerkte sofort Ingvars Interesse und rief einem Mädchen etwas zu, das hinter ihm auf einer Kiste hockte. Ingvar verstand nicht, was der Händler sagte, vermutete jedoch, dass es sich um slawische Worte handelte, die aus dem Mund eines Südländers sehr eigenartig klangen.
    Das Mädchen hob träge den Kopf. Es hatte ein schmales,blutleeres Gesicht; sein hellblondes Haar war auf dem Hinterkopf zu einem dicken Knoten zusammengebunden. Das Mädchen schaute Rustah aus eisblauen Augen so abwesend an, als wäre es gerade aus einem Traum gerissen worden. Dann stand es auf, nahm aus der Kiste einen dunkelroten Umhang und brachte ihn dem Händler.
    Rustah reichte den Stoff an Ingvar weiter. «Diese Farbe, mein lieber Freund, heißt Purpur. Auf der Insel, auf der ich gerade einige Wochen verbracht habe, tragen sogar die heiligsten aller heiligen Männer Gewänder, die aus diesem Stoff hergestellt werden.»
    Ingvar machte eine entschuldigende Geste. «Es tut mir leid, aber ich habe wirklich keine einzige Münze   …»
    Der Händler nahm den Stoff kopfschüttelnd wieder entgegen und gab ihn dem Mädchen zurück. Es blieb unschlüssig bei Rustah stehen, und seine Finger spielten an einem kleinen Silberring, der an einem Lederband um seinen Hals hing.
    «Ich hätte nicht herkommen sollen», murrte Rustah. «Die Menschen in dieser Stadt sind geizig. Dabei habe ich so wunderbare Geschichten über Haithabu gehört, das Tor zur Welt im Norden, wie es heißt. Doch was finde ich hier vor? Hungrige Gestalten, ohne eine einzige Silbermünze in der Tasche. Da ist es ja kein Wunder, dass sogar eure Landsleute aus dieser Stadt verschwinden. Stellt Euch nur einmal vor, auf der Insel, die man Rujana nennt, habe ich solch ein purpurfarbenes Gewand sogar an einen Dänen verkauft.»
    Ingvar warf dem Händler einen zweifelnden Blick zu. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wozu ein Däne ein rotes Priestergewand brauchte. «Wo liegt denn diese Insel?», fragte er.
    «Im Osten, jenseits des Meeres, das die Franken Baltisches Meer nennen.» Dann wies er seufzend nach Westen. «Aber gleich morgen werde ich nach Austrien und Andalusien weiterreisen. Die Iberer werden meine Stoffe zu schätzen wissen.»
    Ingvar wusste, dass die Zeit drängte und sie nach der Kräuterfrau suchen mussten. Dennoch war er neugierig geworden und fragte nach dem Dänen.
    «Oh, er war sehr, sehr groß – ein wahrlich stattlicher Kerl.» Rustah hob die Rechte über seinen eigenen Kopf, um die Größe des Mannes anzudeuten. «Etwa so alt wie Ihr, aber mit dunklem Haar, das beinahe so dunkel war wie meines.»
    Ingvar legte grübelnd die Stirn in Falten. Bei dieser Beschreibung war ihm ein Gedanke gekommen. Aber – das war undenkbar. Dennoch fragte er: «Hat der Mann Euch seinen Namen genannt?»
    Rustah schüttelte den Kopf, beugte sich aber zu Ingvar und dämpfte die Stimme. «Es gibt da ein Geheimnis, das ich Euch eigentlich gar nicht verraten dürfte. Aber die Insel ist weit weg, und außerdem hoffe ich, dass Ihr vielleicht doch noch irgendwo in Eurer Kutte zwei oder vielleicht drei Münzen findet   …»
    Ingvar lächelte hintergründig, um dem Südländer das Gefühl zu vermitteln, er könne sich tatsächlich noch das eine oder andere Geldstück verdienen.
    Rustahs Miene hellte sich auf. «Der Däne war nicht allein», sagte er leise. «Er war in Begleitung eines alten Mannes, vermutlich ein Franke, und eines dicken Ranen, wie der Slawenstamm auf der Insel heißt.»
    Er zeigte auf das Mädchen. «Sie ist übrigens eine von ihnen.»
    Ingvar betrachtete das hellhäutige Mädchen, das noch immer mit dem Stoff in der einen und dem Ring in der anderen Hand neben dem Händler stand. Während es den Ring zwischen den Fingern drehte, blitzte er plötzlich in einem Sonnenstrahl auf – und Ingvar lief ein Schauer über den Rücken.
    «Diese drei Männer haben sich also bei mir, dem großzügigen Ibrahim Ibn Rustah, ganz preiswert diese Purpurstoffe gekauft. Ihr glaubt nicht, was sie damit

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