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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Wasser getaucht. Die Haut war eine einzige rötliche, vernarbte Masse. Hovis Lider fehlten, und er starrte Odo aus unnatürlich weit aufgerissenen Augen an. Auch Lippen hatte er keine mehr. In dem offenen Mund waren gelbe, faulige Zähne wie bei einer grinsenden Totenmaske zu sehen.
    Blitzschnell griff der Jarl nach einem Messer, das neben dem Bett lag, und wälzte sich aus den Fellen. Er war nackt. Mit vorgehaltener Klinge näherte er sich Odo, wobei er zischelnde Laute ausstieß, die nicht zu verstehen waren.
    Da begriff Odo, was Egil von ihm erwartete: Er sollte den Jarl töten.
    Er war zwar einen Kopf größer als Hovi, doch der Jarl war äußerst wendig, und Odo war nach der Gefangenschaft entkräftet. Hovi schoss auf ihn zu, wobei er mit dem Messer nach ihm stieß. Odo konnte sich gerade noch mit einem Sprung zur Seite vor der Klinge retten, die ihn um Haaresbreite verfehlte. In der Bewegung verlor Odo das Gleichgewicht und stolperte.
    Mit einem Mal hatte Hovi einen Knüppel in der Hand.Er schlug nach Odo und traf ihn an der Schläfe. Odo wurde schwarz vor Augen. Der zweite Schlag erwischte ihn am Hals, sodass es ihm die Luft abschnürte. Seine Knie knickten ein. Blitze zuckten in seinem Kopf auf, als Hovi ihn am Ohr traf. Dann sprang der Jarl vor, riss Odo zu Boden und warf sich auf ihn. Er hob das Messer. Die Klinge glänzte im Feuerschein.
    In dem Moment riss Odo sein Messer hoch, um es Hovi in den Hals zu stoßen. Aber der Hieb war zu schwach, er schien nur die Haut aufgeritzt zu haben. Doch plötzlich quoll das Blut in Strömen aus der Wunde. Die Klinge hatte die Hauptschlagader durchtrennt. Hovi schrie auf und wich zurück. Dabei verlor er sein Messer, wankte, stürzte und wälzte sich schließlich brüllend vor Schmerzen auf dem Boden.
    Sofort setzte Odo ihm nach, warf sich auf Hovis Oberkörper und hielt ihm die Klinge an die Kehle. Aus Hovis Mund kamen erneut Zischlaute. Dieses Mal konnte Odo einzelne Worte verstehen.
    «Nicht so   … ich muss   … im Kampf sterben   … ein Mann mit durchschnittener Kehle   … stirbt wie ein Feigling. Steck mir die Klinge ins Herz, Munki. Sonst wird Odin mich nicht in Walhall aufnehmen   …»
    Der Jarl wusste, dass er dem Tode geweiht war. Das Blut floss rasch aus seinem Körper.
    Odo beugte sich tief über ihn. «Siehst du nun, Gottloser, wohin der Hochmut dich gebracht hat. Bereue alle deine Sünden. Dann werde ich deiner letzten Bitte nachkommen.»
    «Ja, ja   … ich bereue   … aber stich endlich zu», nuschelte Hovi. «Sag, dass ich tapfer gekämpft habe. Laut! Du musst es mit lauter Stimme sagen!»
    Odo setzte die Messerspitze auf Hovis Brust an.
    «Sag es   … ich habe tapfer gekämpft   … sag es   … ich war tapfer   … sag es!»
    Da legte Odo sein ganzes Gewicht auf das Messer und stieß die Klinge in Hovis Herz. Zwischen Hovis Zähnen quollen Blutblasen hervor, die zerplatzten. Der Jarl röchelte im Todeskampf.
    «Sag es   … ich   … ich bin tapfer.» Er atmete stoßweise aus rasselnden Lungen.
    Während Odo die Klinge in Hovis Herz drehte, beugte er sich über ihn und sagte: «Du hast gekämpft wie ein altes Weib. Wie eine feige Ratte. Dafür wirst du in der Hölle schmoren, Götzenanbeter.»
    Ein verzweifelter Ruck ging durch Hovis Körper. Er bäumte sich ein letztes Mal auf, wobei sich die lidlosen Augen nach oben verdrehten.
    «Nein. Ich   … Odin   …»
    Dann erschlaffte sein Körper.
    Odo zog die Klinge wieder heraus, wischte sie an den Fellen, die auf dem Bett lagen, ab und lehnte sich erschöpft mit dem Rücken gegen die Wand. Um Hovis Leiche hatte sich eine schimmernde Blutlache gebildet.
    Der Christenhasser war tot.
     
    «Jetzt kannst du gehen, Munki.»
    Odo drehte sich langsam zu Egil um, der neben ihn getreten war und Hovis Leiche betrachtete.
    «Warum hast du ihn nicht selbst getötet?», wollte Odo wissen.
    «Er war mein Freund, mein bester Freund. Wir kannten uns, seit wir Jungen waren. Odin sieht es nicht gern, wenn ein Mann seinen Freund tötet. Der Tod ist ehrenvoller,wenn man durch die Hand eines Feindes stirbt. Und Herrscher sind zur Ehre geboren – nicht zu einem langen Leben.»
    Egil deutete auf die Tür. «Geh jetzt. Du bist ein freier Mann.»
    «Aber ich habe den Jarl getötet.»
    «Ich begnadige dich. Dieses Recht steht mir zu. Ich bin der neue Jarl von Haithabu. Es wird sich kein anderer Mann zur Wahl stellen.»
    Odo erhob sich schwerfällig. Er überlegte, ob Hovis Tod für die Menschen in Haithabu

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