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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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den anderen nicht folgen, werden die Dänen uns töten», erwiderte einer.
    Anatrog zog sein Schwert. «Vielleicht sollten sie das tun. Ratibor hat euch klare Anweisungen erteilt. Wenn ihr euch seinem Befehl widersetzt, sorge ich dafür, dass ihr hingerichtet werdet.»
    «Aber was sollen wir mit dem Wojwoden machen?», fragte der Soldat.
    Anatrog näherte sich Helgi bis auf einen Schritt und bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. «Der Mistkerl ist die längste Zeit Wojwode gewesen. Ratibor hat mir aufgetragen, ihn auf die Burg zu bringen, wo man über sein Schicksal Gericht halten wird. Allerdings   …» Er richtetedie Schwertspitze auf Helgis Kehle. «Allerdings befürchte ich, dass wir es mit diesem Ballast nicht rechtzeitig bis nach Arkona schaffen werden, und wenn die Dänen uns angreifen, werden sie ihren Freund hier befreien – und er wird ihnen haarklein alles erzählen, was er über die Tempelburg weiß.»
    Anatrog drückte die flache Seite der Klinge unter Helgis Kinn und hob es an. Ihre Blicke trafen sich, als Anatrog seine Stimme dämpfte, damit die Soldaten ihn nicht hören konnten.
    Mit einem verächtlichen Grinsen sagte er: «Ich soll dir einen Gruß ausrichten, Däne. Von Tetĕslav. Er hat mich gebeten, dich zu töten – diesen Wunsch kann ich meinem alten Freund nicht abschlagen.»
    «Wo ist Tetĕslav?», entfuhr es Helgi.
    «Oh, er hat ein gutes Versteck gefunden. Aber er wird sich bald um dein Weib kümmern. Ja, das wird er ganz sicher!»
    Anatrogs Schwerthand zuckte und führte die Klingenspitze zwei Finger breit vor Helgis Kehle. Es würde dem Ranen wenig Mühe bereiten, Helgi das Schwert in den Hals zu stoßen.
    «Ich wünsche dir eine gute Reise zu deinen verfluchten Göttern», flüsterte Anatrog. Er spannte seine Muskeln an. Doch in dem Moment, als er zustoßen wollte, zischte etwas durch die Luft. Es war ein Messer, das gegen das Naseneisen von Anatrogs Helm prallte. Er schrie auf und taumelte rückwärts. Das Schwert entglitt seiner Hand. Brüllend vor Schmerz, griff sich Anatrog ans Gesicht. Ein Blutstrom quoll zwischen seinen Fingern hervor. Das Naseneisen hatte die Klinge direkt in sein rechtes Auge abgeleitet und war bis zum Heft eingedrungen. Anatrog gingauf die Knie und wälzte sich schreiend auf dem schlammigen Boden.
    Als die drei Soldaten dies sahen, ergriffen sie die Flucht.
    Vom Königszelt her näherten sich Schritte, und eine Stimme sagte: «Wer hätte das gedacht? Ich kann noch immer mit einem Messer umgehen.»
    Helgi hatte sich noch nie so gefreut, Damek zu sehen. Der Toblac hatte ein purpurfarbenes Priestergewand übergezogen, das er dieses Mal zur Feier auf Arkona offiziell tragen durfte. Mit einem Ruck zog er dem Sterbenden das Messer aus dem Auge und wischte die blutverschmierte Klinge an Anatrogs Mantel ab. Dann machte er sich daran, Helgis Fesseln durchzuschneiden.
    «Man darf dich wirklich nicht allein lassen, Junge», sagte er seufzend.
     
    Helgi und Damek waren beim Königszelt stehen geblieben und schauten nun entsetzt über den menschenleeren Marktplatz hinweg auf das Schlachtfeld. Sie sahen, dass der König und sein Gefolge die Tempelburg gerade noch erreichten, bevor die Dänen nahe genug herangekommen waren, um sie anzugreifen. Das Tor unterhalb des Wachturms wurde geöffnet, als Ratibor und die anderen ihre Pferde über die Brücke führten. Immer mehr Menschen drängten hinter die schützenden Mauern Arkonas. Auf den Palisadengängen glänzten Lanzenspitzen und die Helme Hunderter Tempelsoldaten in der Morgensonne.
    Der König und alle anderen Berittenen waren in Sicherheit. Doch das Fußvolk war zu langsam gewesen.
    Wie eine gewaltige Sturmwelle prallten die dänischen Krieger etwa eine halbe Meile unterhalb von Arkona aufden Tross. Schwertklingen blitzten auf, Menschen schrien um ihr Leben. Binnen weniger Augenblicke hatten die Angreifer ohne Gegenwehr all jene erschlagen, die es nicht rechtzeitig in die Burg geschafft hatten. Wer zu fliehen versuchte, dem setzten die Dänen nach. Wie Hasen trieben sie ihre Opfer über die Felder, bis die Menschen entweder vor Erschöpfung zusammenbrachen oder sich ergaben. Doch es wurden keine Gefangenen gemacht, und so tränkte sich der Boden mit dem Blut der Ranen.
     
    «Lass uns endlich von hier verschwinden», knurrte Damek.
    Auf dem Schlachtfeld hatten die Dänen damit begonnen, den Leichen alle Wertsachen abzunehmen: silberne Armreifen, Fingerringe, Fibeln, Halsketten, Ohrringe und Ledergürtel wanderten in

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