Das Buch der Sünden
Ottar.
«Ruf Svart zurück. Ich gehe selbst hinein.»
Ottar starrte den Priester entgeistert an. «Du? Aber du bist kein Krieger! Du bist ein …»
«Ein Diener Gottes», unterbrach Odo ihn. «Und deshalb wird der Herr mich beschützen.»
Ottar zuckte mit den Schultern und rief nach Svart.
Unterdessen nahm Odo den Beutel von der Schulter und holte das Messer aus der Kiste. Dann wollte er sichan Žiliška wenden, um herauszufinden, ob das Langhaus einen Hintereingang hatte. Doch er sah nur die alte Sklavin, die schreckensbleich an der Mauer lehnte. Wo war Žiliška? Als Odo die Alte fragte, schüttelte sie den Kopf und flüsterte: «Sie ist weggelaufen …»
«Weggelaufen? Verdammtes Weib, warum hast du sie nicht daran gehindert?»
Die Sklavin brach in Tränen aus.
Odo schüttelte sie grob an der Schulter. «Wo ist sie hin?»
Die Sklavin deutete an der Mauer entlang, die sich in einem weitläufigen Rund um das Anwesen zog. In einer Entfernung von etwa zwanzig Schritt konnte Odo einen der Dänen erkennen, der dort Posten bezogen hatte.
«Frag die Männer, ob sie sie gesehen haben», herrschte Odo die Sklavin an.
Als sie kurz darauf wiederkam, sagte sie: «Ja, sie ist an ihnen vorbeigekommen. Aber die Männer haben sich nichts dabei gedacht, weil sie zu Euch gehört, Herr.»
Odo atmete tief ein und ließ die Luft langsam wieder entweichen, um seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Inzwischen war Svart zurückgekehrt. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Ein Pfeil hatte beim Rückzug seinen rechten Oberarm durchbohrt.
Ich bin der Einzige, der es mit dem Dämon aufnehmen kann, dachte Odo. Er befahl Ottar, unter keinen Umständen weitere Krieger ins Haus zu schicken.
Dann machte er sich bereit, dem Dämon gegenüberzutreten.
Er nahm Anlauf und hechtete durch das Tor in den Hof. Neben dem Bohlenweg rollte er sich ab und kroch auf allenvieren weiter auf das Haus zu, indem er einen weiten Bogen beschrieb, um nicht in die Schusslinie zu geraten. Als er die Vorderwand des Langhauses erreichte, schlich er von der Seite her an die Tür heran.
Nun kam ein äußerst riskanter Moment. Odo musste ins Haus gelangen, bevor der Dämon einen Pfeil auf ihn abschießen konnte. Während Odo überlegte, wie er seinen Gegner überlisten konnte, fiel sein Blick auf Asgaut. Der Krieger schien noch immer am Leben zu sein. Im fahlen Licht des inzwischen aufgegangenen Mondes sah Odo, wie sich der Pfeilschaft, der aus Asgauts Brust ragte, hob und senkte.
Da hatte Odo eine Idee. Flach auf dem Boden schob er sich so dicht an Asgaut heran, bis er dessen rechten Arm berühren konnte. Er nahm sein Messer, setzte die Spitze auf Asgauts Oberarm an und trieb die Klinge mit einer kräftigen Bewegung durch das Hemd tief in die Muskeln des Kriegers. Der Däne erwachte aus seiner todesähnlichen Starre, und als Odo das Messer wieder aus dem Fleisch zog, bäumte sich Asgaut auf und schrie. In dem Moment geschah das, worauf Odo gehofft hatte. Ein Pfeil zischte durch die offene Tür und drang in Asgauts aufgerissenen Mund.
Odo zögerte keinen Moment. Bevor der Dämon einen neuen Pfeil anlegen konnte, setzte er mit einem gewaltigen Sprung über Asgaut hinweg durch die Tür in das Innere des Hauses. Er rollte sich ab und kroch schnell von der Tür fort. Kaum hatte er innegehalten, als von irgendwoher das Geräusch einer sich spannenden Bogensehne zu hören war.
Die Dunkelheit schützte Odo, aber sie verbarg auch seinen Gegner.
Odo musste den Schützen herausfordern, um dessen Position festzustellen. Noch immer ausgestreckt auf dem Boden liegend, tastete er die nähere Umgebung ab. Nur wenige Handbreit entfernt spürte er den rauen Lehmverputz einer Wand, und als seine Finger daran entlangglitten, trafen sie auf ein Stück Holz. Es war das Bein eines Schemels, der vor der Wand stand. Mit einem Ruck stieß Odo den Schemel um. Das Poltern hallte wie ein Gewitterdonner durch die finstere Stille.
Dann schnappte die Sehne, und ein Pfeil bohrte sich in Odos Nähe in die Lehmwand. Winzige Putzbrocken rieselten auf ihn.
Sein Herz trommelte gegen seine Brust. Er versuchte, tief und geräuschlos zu atmen, als er nach dem Pfeil tastete, der über ihm in der Wand steckte. Dem Einschusswinkel nach zu urteilen befand sich sein Gegenüber halbrechts.
Gut, sehr gut. Nun wusste er, aus welcher Richtung der nächste Angriff zu erwarten war. Sein Herzschlag beruhigte sich ein wenig.
Und der Dämon kam. Leise näherten sich die Schritte. Die Bogensehne
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