Das Buch der Toten
Bio-Supermarkt.«
»Warum denn das, Ma'am?«
»Weil wir uns gerne gesund ernähren.«
»Nein, warum haben Sie das Postfach, Ma'am?«
Selmas winzige Klaue legte sich auf Milos Ärmel; es fühlte sich an, als benutze eine Katze seinen Arm als Sprungbrett.
»Politik, guter Mann. Politische Postwurfsendungen.«
»Oh«, sagte Milo.
»Zu welcher Partei gehören Sie, guter Mann?«
»Ich bin unabhängig.«
»Nun, mein Lieber, wir unterstützen die Grünen, ganz schön subversiv, wissen Sie.« Die Klaue bohrte sich tiefer in seinen Arm.
»Sie haben das Postfach für Postwurfsendungen von den Grünen?«
»O ja«, antwortete Selma Block. »Sie sind zu jung dafür, aber wir erinnern uns noch gut, wie es früher war.«
»Wann?«
»In den alten Tagen. Mit diesen Faschisten vom Ausschuss für unamerikanische Umtriebe. Mit diesem Schwein von McCarthy.«
Er lehnte die Einladung zu Tee und Keksen ab, eiste sich von Mrs. Block los und fuhr ziellos in der Gegend herum, während er über seinen nächsten Schritt nachgrübelte. Playa del Sol. Alex hatte Recht, es klang irgendwie nach Immobilien. Also hatten die Cossacks vielleicht doch ihre Finger im Spiel, mit freundlicher Unterstützung des LAPD. Ein abgekartetes Spiel. Wieder einmal.
Zu Beginn seiner Nachforschungen hatte er die Adresse von Cossack Development nachgeschlagen und festgestellt, dass die Firma mitten im Stadtzentrum am Wilshire Boulevard angesiedelt war, doch die Zahlen hatte er sich nicht gemerkt, diese Zeiten waren vorbei, und so rief er die Auskunft an und erfuhr, dass das Gebäude zwischen Fairfax und La Brea zu finden war.
Der Himmel war dunkel, der Verkehr hatte nachgelassen, und er schaffte die Strecke in weniger als einer Viertelstunde.
Das Hauptquartier der Cossack-Brüder befand sich in einem dreistöckigen, von einer Stufenpyramide gekrönten Bürokomplex aus rosa Granit, der einen ganzen Block östlich des County Art Museum einnahm. Vor vielen Jahren waren das hier Billig-Immobilien gewesen, die Ausläufer des Abschnitts mit dem lächerlich unangemessenen Namen Miracle Mile »Wundermeile«. Damals in den vierziger Jahren war der Bau der Mile eine historische Neuerung gewesen: eine mäßig attraktive Einkaufspassage, jedoch mit direktem Zugang von der rückwärtig gelegenen Parkgarage aus - ein weiteres Symptom der Autoverrücktheit, die in L. A. seit dem Krieg grassierte.
Zwanzig Jahre später hatte die Flucht nach Westen die City als Sumpf aus heruntergekommener Bausubstanz und billigen Geschäften zurückgelassen, und das einzige Wunder war, dass überhaupt irgendein Teil der Miracle Mile überlebt hatte.
Und nun die neueste Welle: Innenstadtsanierung. Das County Art war als Museum nicht sonderlich bemerkens wert, wenn es auch im Innenhof Gratiskonzerte gab und die Erwartungen in dieser Stadt ohnehin nicht allzu hoch waren, und es hatte andere Museen aus dem Boden schießen lassen, die sich Puppen, der Volkskunst und besonders erfolgreich, dem Auto widmeten. Große, glänzende Bürogebäude waren gefolgt. Falls die Cossacks zu einem frühen Zeitpunkt eingezogen waren und das Grundstück unter dem rosa Granitteil ihr Eigentum nannten, dann hatten sie ein gutes Geschäft gemacht.
Er parkte in einer Seitenstraße, stieg die breiten, polierten Granitstufen hinauf, vorbei an einem riesigen, flachen schwarzen Becken mit stillem Wasser, dessen Boden mit Münzen übersät war, und betrat die Eingangshalle. Rechter Hand ein Empfangstresen, aber kein Portier. Nur die Hälfte der Beleuchtung war eingeschaltet, und seine Schritte hallten in dem höhlenartigen Raum. Der Komplex war in einen Ost und einen Westflügel unterteilt. Die meisten Pächter waren Firmen aus der Finanzbranche oder dem Showgeschäft. Cossack Development nahm das zweite Obergeschoss im Ostflügel ein.
Er fuhr mit dem Aufzug hoch und betrat einen kahlen Raum mit weißem Teppichboden und weißen Wänden. Eine einzige, großformatige Lithographie begrüßte ihn, ein formloses Etwas in Weiß und Gelb, vielleicht die Vision irgendeines Genies von einem Frühstücksei; dann zur Linken eine weiße Doppeltür. Verschlossen. Totenstille auf der anderen Seite.
Die Tür des Fahrstuhls glitt hinter ihm zu. Er drehte sich um, drückte auf den Knopf und wartete darauf, dass der Lift zurückkam.
Draußen auf dem Wilshire Boulevard nahm er das Gebäude noch einmal in Augenschein. Viele Fenster waren noch erleuchtet, unter anderem mehrere im zweiten Stock. Vor ein paar Wochen hatte die
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