Das Buch der Toten
schon.«
»Jetzt nicht mehr?«
»Ach, Sie wissen schon«, sagte sie und verdrehte die Augen.
»Wie ist denn das Essen?«
Die hübsche Parkplatzlady lächelte, zog an ihrer Zigarette und schüttelte den Kopf. »Woher soll ich denn das wissen? Hier kostet ein Gericht so um die hundert Dollar. Vielleicht, wenn ich meine erste große Rolle kriege.« Ihr Lachen klang hämisch. Sie fugte hinzu: »Wer's glaubt, wird selig.« So jung und schon so zynisch. »Hollywood«, sagte Milo.
»Ja.« Val warf wieder einen Blick über die Schulter. Die anderen Mädchen standen alle untätig herum, ein paar von ihnen rauchten.
Wahrscheinlich achten sie auf ihre Linie, dachte Milo. Jede von ihnen hätte als Model arbeiten können.
Val senkte ihre Stimme zu einem Flüstern: »Wenn Sie's genau wissen wollen, ich hab gehört, dass das Essen beschissen ist.«
»Der Name macht's auch nicht besser. Löwenblut.«
»Iih! Das ist doch abartig, oder?«
»Was für eine Küche ist es denn?«
»Äthiopisch, glaube ich. Oder jedenfalls irgendwas Afrikanisches. Vielleicht auch lateinamerikanisch, ich weiß nicht, kubanisch, vielleicht? Manchmal spielt hier eine Band, und von hier draußen hört es sich irgendwie kubanisch an.« Sie zuckte mit den Hüften und schnippte mit den Fingern.
»Angeblich können sie bald einpacken.«
»Wer, die kubanischen Musiker?«
»Nein, Sie Witzbold. Der Laden hier.«
»Zeit für einen neuen Job?«, fragte Milo. »Kein Problem, es gibt ja immer noch Bar-Mizwas.« Sie drückte ihre Zigarette aus und sagte: »Sie machen nicht vielleicht ab und zu was für Variety, wie? Oder für den Hollywood Reporter?«
» Ich arbeite meistens für die Agenturen.«
»Ist irgendjemand an dem Restaurant interessiert?«
Milo zuckte die Schultern. »Ich fahre einfach so in der Gegend rum. Man muss schließlich graben, wenn man Öl finden will.«
Sie warf einen Blick auf den Taurus, und ihr nächstes Lächeln quoll über vor Mitgefühl. Noch so ein Loser. »Na, wenn Sie jemals was für Variety machen, merken Sie sich den Namen: Chataqua Dale.«
Milo wiederholte de n Namen. »Hübsch, aber Val ist auch nicht schlecht.«
Eine Wolke des Zweifels trübte die blauen Augen. »Meinen Sie wirklich? Ich hatte mir nämlich schon überlegt, ob Chataqua nicht vielleicht ein bisschen, na ja, zu ausgefallen ist.«
»Nein«, sagte Milo, »das ist wunderbar.«
»Danke.« Sie griff nach seinem Arm, ließ die Zigarettenkippe fallen und trat darauf. Ihre Augen nahmen einen verträumten Ausdruck an. Es sah aus, als spreche sie schon für ihre Traumrolle vor. »So, jetzt muss ich aber los.«
»Danke, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben«, sagte Milo, griff in seine Tasche und steckte ihr noch einen Zwanziger zu.
»Sie sind ja soooo nett«, sagte sie.
»Normalerweise nicht.«
»Oh, das sind Sie ganz bestimmt, darf ich Sie mal was fragen? Sie treffen doch sicher alle möglichen Leute, kennen Sie nicht irgendeinen anständigen Agenten? Meiner ist nämlich ein Arschloch.«
»Höchstens einen Undercover-Agenten«, sagte er.
Die Verwirrung verlieh dem hübschen jungen Gesicht einen flüchtigen Ausdruck von Komplexität. Dann übernahm wieder ihr schauspielerischer Instinkt das Kommando: Sie begriff immer noch nichts, aber sie merkte, dass ihr Stichwort gefallen war, und so lächelte sie und berührte wieder seinen Arm. »Alles klar. Man sieht sich.«
»Ciao«, sagte Milo. »Ach übrigens, was macht Brad eigentlich genau?«
»Er begleitet die beiden«, antwortete sie.
»So eine Art Begleiter also.«
»Sie haben's erfasst, die brauchen alle so einen.«
»Diese Hollywood-Typen?«
»Reiche Typen mit ekligen Körpern.«
»Wissen Sie, wie Brad mit Nachnamen heißt?«
»Larner. Brad Larner. Er ist 'n ziemlicher Arsch.«
»Wieso?«
»Halt einfach ein Arsch«, erläuterte Val. »Unfreundlich, lächelt nie, gibt nie Trinkgeld. Ein Arsch.«
Er fuhr die zwei Blocks bis zum Santa Monica Boulevard zurück, bog rechts ab und fuhr auf Umwegen bis zur Melrose zurück. Diesmal näherte er sich der Ecke aus östlicher Richtung und parkte kurz vor dem geschlossenen Chinarestaurant. Sonst gab es an diesem Abschnitt des Boulevards fast nur Galerien, die allesamt geschlossen waren; die Straße lag dunkel und ruhig da. Er stieg aus, kletterte über die schwere Kette vor der Einfahrt und überquerte den mit Hundehaufen übersäten Parkplatz, auf dem schon das Unkraut durch die Ritzen im Asphalt wucherte. Er suchte sich einen günstigen
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