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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Alex. Ihre Argumentation ist wasserdicht.«
    »Haben Sie irgendeine Vorstellung, wem er es gegeben haben könnte?«
    Er legte die Beine übereinander und hakte einen Finger am Saum eines purpurroten Hosenbeins ein. »Der einzige Mensch, mit dem ich Pierce je gesehen habe, war Marge. Und ich bezweifle, wie gesagt, dass sie irgendetwas damit zu tun hatte.«
    »Weil sie ehrlich ist.«
    »Und weil Pierce sehr fürsorglich mit ihr umgegangen ist, Alex. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sie in so etwas hineingezogen hätte.«
    »Klingt, als ob Sie die beiden sehr gut gekannt hätten«, sagte ich.
    Er lächelte. »Ich bin Psychiater. Ich kann es mir erlauben, Theorien aufzustellen. Nein, wir hatten keinen engen Kontakt, aber das hier ist eine kleine Stadt. Man begegnet immer wieder denselben Leuten. Meine Einschätzung basiert wohl auf seiner Körpersprache, wenn die beiden zusammen waren.«
    »Fürsorglich.«
    »Sehr. Marge schien das zu genießen, und das fand ich interessant. Sie hatte nie zuvor mit irgendeinem Menschen zusammengelebt. Ihre Familie ist schon sehr lange in dieser Gegend ansässig, und seit Jahren führt sie die Ranch praktisch allein. Die Menschen entwickeln von einem gewissen Alter an oft sehr starre Gewohnheiten und reagieren problematisch auf die Erfordernisse einer Beziehung. Aber Marge schien sich in der ehelichen Gemeinschaft sehr wohl zu fühlen, wie er übrigens auch.«
    »Wussten Sie, dass Pierce früher bei der Mordkommission war?«
    »Ich weiß es von Marge«, antwortete er. »Sie hat es mir gesagt, kurz nachdem Pierce bei ihr eingezogen war. Das war übrigens im The ater, wenn ich mich nicht irre. Draußen im Foyer, in der Pause. Sie hat mich ihm vorgestellt, und wir kamen auf einen Zeitungsbericht über ein Verbrechen zu sprechen, irgendwo bei Ihnen in der Gegend war das, ein Bankraub mit einer Schießerei, die Verbrecher konnten entkommen. Marge machte so eine Bemerkung wie: › Wenn Pierce noch bei der Truppe wäre, würde er den Fall bestimmt lösen.‹«
    »Wie hat Pierce darauf reagiert?«
    »Wenn ich mich recht entsinne, war es eher eine Nichtreaktion. Er hat überhaupt nicht viel geredet. So war er einfach. Sehr reserviert.«
    Milo hatte Schwinn als verbal aggressiven Menschen geschildert, mit einem Hang zu ausgedehnten Tiraden. In zwanzig Jahren hatte sich vieles verändert.
    Ich sagte: »Marge erzählte uns, Pierce habe sich zu eine m sehr gelassenen Menschen entwickelt.«
    »Sie muss es ja wissen… Pierce war also Milos Partner. Wie interessant. Die Welt wird immer kleiner.«
    »Die Art, wie er zu Tode gekommen ist«, sagte ich. »Dieser Sturz vom Pferd, fällt Ihnen dazu irgendetwas ein?«
    Er stellte das Bein wieder auf den Boden, tippte mit dem Finger an seine rosige Wange und strich mit der anderen Hand über eine reich verzierte Konzertina. »Sie vermuten, dass es etwas anderes als ein Unfall gewesen sein könnte? Wieso, Alex?«
    »Weil mein Gehirn nun einmal so funktioniert.«
    »Ah«, sagte er.
    Ich konnte Milo lachen hören.
    »Eine kleine Welt«, sagte er noch einmal. »Das ist so gut wie alles, was ich Ihnen sagen kann… Kann ich Ihnen einen Tee anbieten, Alex? Moment mal, Sie spielen doch Gitarre, nicht wahr? Ich habe dort hinten etwas, das könnte Sie interessieren. Eine Knutsen-Harfengitarre aus der Zeit der Jahrhundertwende. Vielleicht können Sie mir zeigen, wie man die Bordunsaiten stimmt.«
    Sein Gästeschlafzimmer war angefüllt mit Instrumenten und alten Notenständern, und ich blieb noch eine Weile dort und sah ihm beim Herumwerkeln zu, hörte mir seine Ausführungen über Musik und Rhythmus und Kultur an. Er begann in Erinnerungen über seine Zeit in Chile zu schwelgen. Ethnographische Feldforschung in Indonesien, ein Sommerkurs in Musikwissenschaft in Salzburg, Arbeit mit vom Terror traumatisierten Kindern in einem israelischen Kibbuz. Über seine Zeit in Santa Barbara sagte er nichts, die Jahre, die er an einer Schule für verhaltensgestörte Jugendliche verbracht hatte, nur wenige Meilen von hier. Die Art von Einrichtung, in der ein Mädchen wie Caroline Cossack durchaus hätte landen können. Das ganze kostspielige Theater hatte mehr Probleme geschaffen als gelöst.
    Bert hatte ein selektives Gedächtnis, das nur das Positive bewahrte. Vielleicht hatte er sich deshalb gegen die Vorstellung eines jungen Mädchen gesträubt, das eine solche Gewaltbereitschaft an den Tag legte. Er beendete seine Erzählung und hob die Hände in einer entschuldigenden

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