Das Buch der Toten
schwarze Strähne aus dem Gesicht. »Das ist ein Schicksal, das mir in der Form vermutlich erspart bleiben wird, aber man kann sich ja alle möglichen Variationen vorstellen.«
»Du bist ungewöhnlich optimistisch«, bemerkte ich.
»Pfannkuchen«, sagte er. »Komm, auf geht's.«
Ich zog mir frische Sachen an, dachte an Aimée und Bert, an all die unbeantworteten Fragen.
Dachte an Robin. Sie hatte um elf Uhr abends aus Denver angerufen und eine Nachricht hinterlassen. Ich hatte um halb sieben zurückgerufen, hatte bei der Rezeption eine Nachricht hinterlassen wollen, aber der Tross war schon nach Albuquerque weitergezogen.
Und jetzt saßen wir hier vor zwei Stapeln wagenradgroßer Pfannkuchen mit Erdnussbutter. Unser Frühstück roch verdächtig nach Thai-Essen. Ich verätzte mir den Magen mit Kaffee und sah Milo zu, wie er seinen Stapel in Ahornsirup ertränkte und sich darüber hermachte. Dann griff ich mit meiner unverletzten Hand nach dem Sirupkrug. Der Arzt in der Notaufnahme des Oxnard Hospital hatte meine Verbrennungen als »ersten Grades mit Sternchen« eingestuft. »Ein bisschen tiefer, und Sie hätten die Zwei geschafft.« Als ob ich beim Fußball das Tor verfehlt hätte. Er hatte die Wunde mit Salbe bestrichen und verbunden, mir das Gesicht mit Neosporin abgetupft, ein Rezept für Antibiotika ausgestellt und mir eingeschärft, dass ich mich nicht schmutzig machen dürfe.
Im Krankenhaus kannten alle Bert Harrison. Sie stellten ihm und Aimée ein Privatzimmer nicht weit von der Rezeption der Notaufnahme zur Verfügung, wo sie zwei Stunden blieben, während ich mit Milo draußen wartete. Endlich kam Bert heraus und sagte: »Wir werden noch eine Weile hier sein. Fahren Sie nach Hause.«
»Sind Sie sicher?«, fragte ich.
»Ganz sicher.« Er nahm meine Hand, drückte sie fest mit beiden Händen und ging zurück ins Zimmer.
Georgie Nemerov und seine Männer fuhren uns zum Ortsrand von Ojai, wo Milo seinen gemieteten Dodge hatte stehen lassen. Dann verschwanden sie.
Milo hatte sich mit Kopfgeldjägern zusammengetan und mit ihnen einen Plan ausgearbeitet.
Jede Menge Fragen…
Ich hielt den Krug schräg, sah zu, wie der Sirup herausrann und sich auf dem Pfannkuchen ausbreitete, dann griff ich nach meiner Gabel. Milos Handy piepste. Er drückte auf die Taste, meldete sich mit »Ja?«, hörte eine Weile zu, beendete das Gespräch und stopfte sich noch eine Ladung Pfannkuchen ins Gesicht. Seine Lippen waren mit Schokolade verklebt.
Ich fragte: »Wer war das?«
»Georgie.«
»Was gibt's?«
Er schnitt noch ein Dreieck aus seinem Pfannkuchenstapel heraus, kaute, schluckte, trank Kaffee. »Da hat's anscheinend einen schweren Unfall gegeben, gestern am späten Abend. Dreiundachtzigste, Nähe Sepulveda. Ein gemieteter Buick, ist mit hoher Geschwindigkeit in einen Strommast gerauscht. Fahrer und Beifahrer hat's zerbröselt.«
»Fahrer und Beifahrer.«
»Zwei Tote«, sagte er. »Du weißt ja, was ein Aufprall bei hoher Geschwindigkeit mit einem menschliche n Körper anrichten kann.«
»Garvey und Bobo?«, fragte ich.
»Das ist die Arbeitshypothese. So lange, bis es eine Bestätigung auf Grund von Zahnarztunterlagen gibt.«
»Dreiundachtzigste Nähe Sepulveda. Unterwegs zum Flughafen?«
»Komisch, dass du das erwähnst. Im Wrack wurden tatsächlich Flugtickets gefunden. Zwei Flüge erster Klasse nach Zürich, Hotelreservierungen für einen Ort namens Bal du Lac. Klingt nett, was?«
»Reizend«, meinte ich. »Vielleicht ein Skiurlaub.«
»Möglich, gibt's dort überhaupt Schnee zurzeit?«
»Weiß nicht«, antwortete ich. »In Paris regnet's wahrscheinlich.«
Er winkte die Bedienung heran und ließ sich noch eine Kanne Kaffee bringen. Er schenkte sich nach und trank langsam.
»Nur die beiden?«, fragte ich.
»Sieht so aus.«
»Merkwürdig, findest du nicht? Sie haben einen fest angestellten Chauffeur und fahren trotzdem lieber selbst zum Flughafen. Sie haben eine ganze Wagenflotte zu Hause und ziehen einen Mietwagen vor.«
Er zuckte die Schultern.
»Und übrigens«, fuhr ich fort, »was hatten sie denn in einer Seitenstraße in Inglewood verloren? So weit südlich, wenn man zum Flughafen will, bleibt man doch auf dem Sepulveda.«
Er gähnte, streckte sich, trank seinen Kaffee aus. »Willst du noch was essen?«
»War es schon in den Nachrichten?«
»Nein.«
»Aber Georgie weiß Bescheid.« Keine Antwort.
»Georgie hat seine eigenen Quellen«, sagte ich. »Muss er ja wohl als
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