Das Buch der Toten
Irgendeinen Spielverderber gibt es immer, was?«
Der zweite Anruf betraf Santa Monica: Eine Bar-Mizwa-Feier in der Fifth Street nördlich der Montana Avenue war kurz nach zwei Uhr nachts von der Polizei beendet worden, nachdem ein paar allzu übermütige Dreizehnjährige angefangen hatten, Feuerwerkskörper zu zünden. Milo legte den Hörer auf und reckte die Glieder. Seine Ohren glühten, und sein Nacken fühlte sich an wie ein Eisblock. Wie eine nervtötende Litanei tönte Schwinns Stimme in seinem Kopf, als er kurz vor ein Uhr das Gebäude verließ. Hab's dir doch gleich gesagt, du Idiot. Hab's dir doch gleich gesagt, du Idiot.
Er fuhr zu einer Bar, einer Hetero-Bar in der Eighth Street, in der Nähe des Ambassador Hotels. Er war schon öfter daran vorbeigegangen, es war ein etwas schäbig wirkendes Lokal im Erdgeschoss eines alten Backsteinhauses, das schon bessere Tage erlebt hatte. Die wenigen Gäste, die um diese Stunde noch vor ihren Drinks saßen, hatten die Blüte ihrer Jahre ebenfalls längst hinter sich, und mit seinem Eintreten sank das Durchschnittsalter gleich um mehrere Jahrzehnte. Mel Torme schmachtete von der Konserve; die schmierige Theke war mit verdächtig aussehenden Shrimp-Spießen und Schälchen mit gemischten Crackern dekoriert. Milo kippte ein paar Schnäpse und Biere und versuchte, nicht aufzufallen, verließ dann die Bar und fuhr weiter zum Santa Monica Boulevard, um eine Weile durch Boystown zu cruisen, war aber nie in Gefahr, der Versuchung zu erliegen. In dieser Nacht schienen ihm die Stricher wie Raubtiere, die auf Beute lauerten, und allmählich wurde ihm klar, dass er eigentlich mit niemandem zusammen sein wollte, nicht einmal mit sich selbst. Als er in seine Wohnung zurückkam, wurde er wieder von den Bildern von Melinda Waters' Martyrium geplagt, und er nahm eine Flasche Jim Beam aus dem Schrank in seiner Einbauküche. Müde, aber dennoch aufgedreht. Allein das Ausziehen empfand er als Qual, und der traurige Anblick seines bleichen Körpers ließ ihn verzweifelt die Augen schließen. Er legte sich ins Bett und wünschte, die Dunkelheit wäre vollkommener. Wünschte sich ein Ventil im Gehirn, mit dem er die Bilder abstellen könnte. Endlich schlief er mit Hilfe des Alkohols ein.
Am nächsten Morgen kaufte er sich am Kiosk die Times und den Herald-Examiner. Kein Reporter hatte sich bei ihm oder bei Schwinn wegen des Ingalls-Mordes gemeldet, aber über ein so brutales Verbrechen würde die Presse doch mit Sicherheit berichten. Aber da hatte er sich getäuscht, die Tat wurde mit keiner einzigen Zeile erwähnt. Das war kaum zu begreifen. Die Reporter hörten schließlich den Polizeifunk ab, und ihnen entging auch nicht, was sich im Leichenschauhaus tat.
Er beeilte sich, ins Büro zu kommen, sah in seinem eigenen und in Schwinns Fach nach, ob irgendwelche Anfragen von Journalisten gekommen waren. Alles, was er fand, war eine einzige Telefonnotiz mit seinem Namen darauf. Officer Del Monte von der Bel Air Patrol, keine Nachricht. Er wählte die Nummer und musste sich mit ein paar gelangweilten, ausdruckslosen Stimmen herumschlagen, bevor er schließlich zu Del Monte durchgestellt wurde.
»Ah, ja. Sie hatten wegen der Partys angerufen.« Der Mann sprach in scharfen, abgehackten Phrasen, und Milo wusste sofort, dass er es mit einem Ex-Militär zu tun hatte. Eine ältere Stimme, Korea, nicht Vietnam.
»Richtig. Danke, dass Sie zurückgerufen haben. Was haben Sie für mich?«
»Zwei Anrufe am Freitag, beide Male waren es Juge ndliche, die sich danebenbenommen haben. Das Erste war eine Geburtstagsparty an der Stradella, alles Mädchen; ein paar Rowdys haben versucht, die Party zu stürmen. Waren nicht von hier die Jungs, Schwarze und Mexikaner. Die Eltern der Mädchen haben uns angerufen, und wir haben sie rausgeschmissen.«
»Wo kamen die ungebetenen Gäste her?«
»Beverly Hills, haben sie behauptet.« Del Monte lachte.
»Wer's glaubt.«
»Haben sie Ihnen Schwierigkeiten gemacht?«
»Anfänglich nicht. Sie haben so getan, als wollten sie aus Bel Air raus, wir sind ihnen bis zum Sunset gefolgt und haben sie aus sicherer Entfernung beobachtet. In der Nähe des UCLA haben die Idioten dann den Sunset überquert und sind ein paar Minuten später wieder zurückgefahren und wollten es bei der anderen Party versuchen.« Wieder gluckste Del Monte amüsiert.
»Pech gehabt, Pachuco. Unsere Leute waren schon vor Ort, weil Nachbarn sich beschwert hatten. Wir haben sie davongejagt, bevor sie
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