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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Vierteln geleerte Whiskeyflasche neben einem Marmeladenglas mit irgendeinem purpurroten Zeug. Alle Vorhänge waren zugezogen, wodurch in dem Haus permanentes Dämmerlicht herrschte. Das Sonnenlicht konnte eine Qual sein für einen Körper, der sich überwiegend von Äthanol ernährte.
    Entweder hatte Schwinn Eileen Waters vom ersten Augenblick an nicht leiden können oder seine schlechte Laune hatte sich verstärkt; vielleicht hatte er aber auc h einen guten Grund, sie so hart anzufassen. Er setzte sich aufs Sofa und begann sie sofort mit Fragen zu löchern. Sie wehrte sich nicht, steckte sich nur eine Parliaments nach der anderen an und gab ansonsten bereitwillig Auskunft.
    Melinda war eine Herumtreiberin; schon seit längerem trotzte sie allen Versuchen, ihr Disziplin beizubringen. Ja, sie nahm Drogen, Marihuana auf jeden Fall. Eileen hatte in ihren Taschen Kippen gefunden. Was härtere Sachen betraf, war sie sich nicht sicher, aber die Möglichkeit schloss sie nicht aus.
    »Und Janie Ingalls?«, fragte Schwinn.
    »Machen Sie Witze? Sie hat Melinda höchstwahrscheinlich auf die Drogen gebracht.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Das Mädchen war doch ständig bekifft.«
    »Wie alt ist Melinda?«
    »Siebzehn.«
    »In welche Klasse geht sie?«
    »In die elfte, ich weiß, Janie ist in der zehnten, aber bloß weil Melinda älter ist, ist sie noch längst nicht die Anstifterin. Janie war ein raffiniertes Luder. Ich bin sicher, dass sie Melinda dazu gebracht hat, Gras zu rauchen… Mein Gott, wo kann sie bloß sein?«
    Milo erinnerte sich an seine Durchsuchung von Janies Zimmer: keine Spur von Stoff, nicht einmal Papierchen oder eine Pfeife.
    »Melinda und Janie waren das perfekte Pärchen«, sagte Waters. »Sie haben sich beide einen Dreck um die Schule geschert, haben andauernd den Unterricht geschwänzt.«
    »Was haben Sie dagegen unternommen?«
    Die Frau lachte. »Sonst noch was?« Dann kam die Angst wieder hoch. »Melinda kommt bestimmt zurück. Sie kommt immer irgendwann zurück.«
    »Inwiefern war Janie raffiniert?«, fragte Schwinn.
    »Ach, Sie wissen schon«, meinte Waters. »Das merkt man einfach. Sie machte so den Eindruck, als hätte sie schon einiges erlebt.«
    »In sexueller Hinsicht?«
    »Nehme ich an. Melinda ist ja im Grunde ein gutes Mädchen.«
    »Hat Janie viel Zeit hier verbracht?«
    »Nein. Meistens hat sie Melinda nur abgeholt, und dann sind die zwei zusammen losgezogen.«
    »War das auch letzten Freitag der Fall?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich war einkaufen. Als ich zurückkam, war Melinda weg. Ich wusste aber, dass sie hier gewesen war. Sie hat nämlich ihre Unterwäsche auf dem Fußboden liegen lassen, und in der Küche stand Essen rum.«
    »Essen für eine Person?«
    Waters dachte nach. »Ein Eispapierchen und eine Coladose doch, scheint so.«
    »Sie haben also Melinda zuletzt am Freitagmorgen gesehen, aber sie wissen nicht, ob Janie sie abgeholt hat?«
    Waters nickte. »Sie hat gesagt, sie würde in die Schule gehen, aber das glaube ich nicht. Sie hatte eine Tasche voll Klamotten dabei, und als ich sie gefragt habe, was sie damit vorhat, hat sie gesagt, sie würde am Abend zu irgendeiner Party gehen und würde vielleicht nicht nach Hause kommen. Darüber sind wir in Streit geraten, aber was konnte ich tun? Ich wollte wissen, wo die Party war, aber sie wollte nichts weiter sagen, als dass es eine ganz schicke Sause wäre, drüben in der Westside.«
    »Wo in der Westside?«
    »Ich habe Ihnen doch gerade gesagt, dass sie das nicht verraten wollte.« Die Stimme der Frau überschlug sich. »Eine schicke Party. Reiche Kids. Das hat sie ein paar Mal gesagt. Hat mir versichert, ich müsste mir keine Sorgen machen.«
    Sie sah zuerst Schwinn an, dann Milo. Hoffte auf irgendeine Bestätigung, bekam aber nur versteinerte Gesichter zu sehen.
    »Eine schicke Party in der Westside«, sagte Schwinn. »Also vielleicht Beverly Hills, oder Bel Air.«
    »Vermutlich… Ich habe sie gefragt, wie sie eigentlich da hinkommen will, ist ja schließlich nicht um die Ecke, und sie hat bloß gesagt, ihr würde schon was einfallen. Ich hab ihr gesagt, sie soll nur ja nicht per Anhalter fahren, und sie hat gesagt, das würde sie nicht machen.«
    »Sie mögen es nicht, wenn sie per Anhalter fahrt.«
    »Würde Ihnen das vielleicht gefallen, wenn Ihr Kind auf dem Sunset stehen und den Daumen raushalten würde und dann hält vielleicht irgendein Perverser…« Sie brach ab, wurde plötzlich stocksteif.

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