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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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gut miteinander klar.«
    »Wirklich?«, fragte Poulsenn.
    »Ja.«
    Broussard sagte: »Detective Schwinn teilt also Ihre Auffassung?«
    »Worüber?«
    »Über die Gerechtigkeit.«
    »Ich, da müssten Sie ihn schon selbst fragen.«
    »Sie haben mit Detective Schwinn nie über irgendwelche grundlegenden Fragen gesprochen?«
    »Nein, wir konzentrieren uns lieber darauf, unsere Fälle aufzuklären«
    »Sie wollen uns erzählen, dass Detective Schwinn Ihnen gegenüber nie seine Ansichten über den Job in Worte gefasst hat? Über den Kampf gegen das Unrecht? Über das Streben nach Gerechtigkeit? Seine Einstellung zur Polizeiarbeit?«
    »Nun ja«, sagte Milo, »ich kann nicht mit Sicherheit behaupten-«
    Poulsenn trat vor und drückte die Starttaste des Aufnahmegeräts. Er ging weiter und blieb wenige Zentimeter links von Milo stehen. Die beiden IA-Leute flankierten ihn jetzt. Nahmen ihn in die Zange.
    Broussard sagte: »Wissen Sie von irgendwelchen Verfehlungen, deren Detective Schwinn sich schuldig gemacht hat?«
    »Nein«
    »Überlegen Sie sich gut, was Sie sagen, Detective Sturgis. Es handelt sich hier um eine offizielle interne Untersuchung.«
    »Geht es um Detective Schwinns Verhalten oder um meines?«
    »Gibt es irgendeinen Grund, Ihr Verhalten unter die Lupe zu nehmen, Detective Sturgis?«
    »Nein, aber mir war nicht bewusst, dass es irgendeinen Grund gibt, Detective Schwinn zu überprüfen.«
    »Wirklich nicht?«, fragte Poulsenn. Und an Broussard gewandt:
    »Er scheint den Standpunkt einzunehmen, dass er von nichts eine Ahnung hat.«
    Broussard schnalzte mit der Zunge. Er schaltete das To nbandgerät aus und zog etwas aus seiner Jackentasche. Es war ein Stapel Papiere. Milo verdrehte den Kopf, sah das oberste Blatt und erkannte, dass es sich um eine Kopie eines Porträts aus der Verbrecherkartei handelte.
    Eine Frau. Starrer Blick, dunkle Haut, eine Mexikanerin, vielleicht eine hellhäutige Afroamerikanerin. Ein Schild mit Zahlen hing vor ihrer Brust. Broussard nahm das oberste Blatt vom Stapel und hielt es Milo vor die Augen.
    Darla Washington, geb. 14.05.54.1,65 m, 60kg.
    Milos Blick wanderte automatisch nach unten zu der Zeile, wo der betreffende Paragraf aus dem Strafgesetzbuch vermerkt war:
    653.2. Herumtreiberei zum Zwecke der Prostitution…
    »Sind Sie dieser Frau jemals begegnet?«, fragte Broussard.
    »Niemals.«
    »Haben Sie sie nie zusammen mit Detective Schwinn oder sonst irgendwem gesehen?«
    »Nie.«
    »Mit jemand anderem dürfte er sie schwerlich gesehen haben«, bemerkte Poulsenn gut gelaunt.
    Eine volle Minute lang geschah überhaupt nichts. Die beiden IA-Beamten ließen ihm Zeit, das Gesagte zu verarbeiten. Ließen sie ihn etwa spüren, dass ihnen sehr wohl bewusst war, wer von den drei Männern im Raum am wenigsten verdächtig war, die Dienste einer weiblichen Prostituierten in Anspruch genommen zu haben? Oder litt er tatsächlich unter Verfolgungswahn? Es ging doch hier um Schwinn und nicht um ihn, oder etwa nicht?
    Er sagte: »Ich habe sie noch nie irgendwo gesehen.«
    Broussard legte Darla Washingtons Karteiblatt unter den Stapel und hielt Milo das Nächste hin. La Tawna Hodgkins. Paragraph 653.2 »Was ist mit dieser Frau?«
    »Nie gesehen.«
    Diesmal hakte Broussard nicht nach, sondern ging gleich weiter zum nächsten Blatt. Das Spiel zog sich eine Weile hin, eine ganze Prozession von gelangweilt, bekifft oder traurig dreinblickenden Prostituierten, alles Schwarze. Donna Lee Bumpers, Royanne Chambers, Quitha Martha Masterson, DeShawna Devine Smith.
    Broussard jonglierte mit dem Stapel von 653ern wie ein Profispieler aus Vegas mit seinen Karten. Poulsenn lächelte nur und schaute zu. Milo blieb äußerlich ruhig und gelassen, aber in ihm kochte es. Er wusste genau, worauf das Ganze hinauslief.
    Ihre war die achte Karte, die aufgedeckt wurde.
    Nicht die extravagante Hennafrisur von letzter Nacht, sondern ein wasserstoffblonder Atompilz, mit dem sie absolut lächerlich aussah. Aber das Gesicht war dasselbe. Schwinns Rücksitz-Nummer Tonya Marie Stumpf. Der deutsche Nachname wirkte irgendwie fehl am Platz, wo sie den nur herhatte…
    Das Foto tanzte eine ganze Weile vor seinen Augen herum, bis ihm schließlich aufging, dass er versäumt hatte, auf Broussards Frage »Und diese Frau hier?« zu antworten.
    Jetzt sagte Broussard: »Detective Sturgis?«
    Milos Kehle schnürte sich zusammen, und er bekam kaum noch Luft. Wie einer dieser anaphylaktischen Schocks, die er als Sanitäter miterlebt hatte.

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