Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Körper, altes Gesicht. Ihre Hände waren schwielig, mit einem Netz von wulstigen Adern überzogen, die Handrücken zwei riesige Pigmentflecken, nur hier und da durchbrochen von unverfárbten Hautstellen.
    »Pierce hatte eine hohe Meinung von Ihnen«, sagte sie zu Milo.
    Milo bekam seinen überraschten Gesichtsausdruck fast augenblicklich wieder in den Griff, doch sie hatte ihn bemerkt und lächelte.
    »Ja, ich weiß. Er hat mir erzählt, dass er Ihnen das Leben ganz schön schwer gemacht hat. Die letzten Jahre bei der Truppe waren eine schwierige Zeit in Pierce' Leben, Detective Sturgis.« Sie schlug die Augen nieder, blickte wieder auf. Das Lächeln war verschwunden. »Wussten Sie, dass Pierce in der Zeit, als er mit Ihnen Einsätze fuhr, drogensüchtig war?«
    Milo blinzelte. Schlug die Beine übereinander. »Ich weiß noch, dass er damals oft Medizin gegen Erkältungen genommen hat, Hustensaft.«
    »Das stimmt«, sagte Marge. »Aber nicht für seine Nebenhöhlen, sondern um high zu werden. Den Hustensaft hat er offen konsumiert, aber he imlich hat er Amphetamine eingeworfen, Speed. Anfangs hat er das Zeug genommen, um im Dienst wach zu bleiben, um nicht am Steuer einzuschlafen, wenn er nach Simi Valley zurückfuhr. Dort hat er mit seiner ersten Frau gewohnt. Er war schwer abhängig. Haben S ie Dorothy gekannt?«
    Milo schüttelte den Kopf.
    »Nette Frau, laut Pierce jedenfalls. Sie lebt auch nicht mehr. Herzinfarkt, kurz nach Pierce' Pensionierung. Sie war Kettenraucherin und extrem übergewichtig. Dadurch ist Pierce überhaupt erst an das Speed rangekommen, Dorothy hat immer jede Menge Diätpillen verschrieben bekommen, und er hat angefangen, sich bei ihr zu bedienen. Und dann hat das Zeug ihn irgendwann nicht mehr losgelassen; das ist ja immer so. Er sei dann unerträglich geworden, hat er mir erzählt, misstrauisch und launisch, und schlafen konnte er auch nicht mehr. Er sagte, er hätte es an seinen Partnern ausgelassen, ganz besonders an Ihnen. Das hat ihm Leid getan; Sie seien ein gescheiter Bursche, meinte er. Sie würden es noch mal weit bringen…« Sie verstummte.
    Milo zupfte am Reißverschluss seiner Windjacke herum. »Hat Pierce viel von seiner Arbeit erzählt, Ma'am?«
    »Er hat nicht von irgendwelchen konkreten Fällen gesprochen, falls Sie das meinen. Nur immer wieder, was für ein mieser Haufen das Department doch wäre. Wenn Sie mich fragen, seine Arbeit hat ihn ebenso sehr vergiftet wie das Speed. Als ich ihn kennen lernte, war er am Boden. Das war unmittelbar nach Dorothys Tod. Pierce hatte die Mietzahlungen für das Haus in Simi Valley eingestellt, sie hatten sich nie etwas gekauft, immer nur zur Miete gewohnt. Dann hatte er ein Zimmer in einem schäbigen Motel in Oxnard und putzte für einen Hungerlohn in Randalls Westernladen den Fußboden. Dort habe ich ihn zum ersten Mal gesehen. Ich nahm an einer Schau in Ventura teil und wollte mir bei Randalls Stiefel anschauen, und da bin ich mit Pierce zusammengestoßen, als er gerade den Müll raustrug. Er hat mich von hinten angerempelt. Wir mussten beide lachen, und ich mochte sein Lachen. Außerdem machte er mich neugierig, ein Mann in seinem Alter, und dann dieser Job. Normalerweise machen das junge Mexikaner. Als ich das nächste Mal vorbeischaute, haben wir uns ein bisschen ausführlicher unterhalten. Er hatte so etwas an sich, starke Persönlichkeit, kein Wort zu viel. Ich bin ja eher eine Plaudertasche, wie Sie schon gemerkt haben dürften. Das kommt davon, wenn man fast sein ganzes Leben allein war und sich immer nur mit den Pferden unterhält. Ich habe Selbstgespräche geführt, um nicht den Verstand zu verlieren. Das Land hat meinem Großvater gehört, ich habe es von meinen Eltern geerbt. Ich war die Jüngste; bin zu Hause geblieben, um mich um Mom und Dad zu kümmern, bin nie allzu weit weggegangen. Die Pferde tun wenigstens so, als ob sie mir zuhören. Das hat mir an Pierce so gefallen, er konnte zuhören. Es hat nicht lange gedauert, da fing ich an, mir Ausreden zu suchen, um nach Oxnard zu fahren.« Sie lächelte. »Hab mir haufenweise Stiefel und Jeans gekauft. Und er hat mich nie wieder angerempelt.«
    Sie griff nach ihrem Kaffeebecher. »Wir haben uns schon ein volles Jahr gekannt, bevor wir beschlossen haben, zu heiraten. Das haben wir gemacht, weil wir beide altmodische Leute waren; wir wären beide nie auf die Idee gekommen, ohne Papier zusammenzuleben. Aber in erster Linie war es Freundschaft, die uns verband. Er war mein

Weitere Kostenlose Bücher