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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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auch überhaupt nicht nach Personalabteilung angehört.«
    »Wieso?«
    »Er klang so, als ob ihm nicht alles scheißegal wäre.«

20
    Er steckte das Mordalbum wieder in die Plastiktüte und sagte:
    »Das kommt jetzt in den Safe.«
    »Wusste gar nicht, dass du einen Safe hast«, sagte ich.
    »Für meine Cartier-Uhren und den Tiffany-Schmuck. Warte hier.«
    Er verschwand, und ich blieb zurück, wieder einmal ernüchtert durch die Binsenweisheit, die mir Tausende von Patienten immer wieder bestätigt hatten: Jeder Mensch hat seine Geheimnisse. Tief drinnen sind wir alle allein. Das erinnerte mich an Robin. Wo war sie? Was tat sie gerade? Und mit wem?
    Milo kam zurück. Er hatte sich seiner Krawatte entledigt.
    »Hungrig?«, fragte er.
    »Nicht wirklich.«
    »Gut, gehen wir was essen.«
    Er schloss die Tür ab, und wir stiegen wieder in den Wagen. Ich sagte: »Dieser Anruf von der Personalabteilung, vielleicht werden die Vorschriften ja strenger befolgt, seit John Broussard am Ruder ist. Die Disziplin der Truppe ist doch sein Lieblingsthema, oder?«
    »Genau. Wie war's mit dem Hot Dog Heaven?«
    Ich fuhr zum San Vicente Boulevard, nördlich von Beverly, und parkte am Straßenrand. Das Hot Dog Heaven war um einen gigantischen Hot Dog herumgebaut; noch so ein Beweis für die in L. A. vorherrschende Fantasielosigkeit. Das Fastfood-Lokal war als Relikt stehen geblieben, nachdem die Ponyreitbahn, die seit Jahrzehnten die Ecke La Cienega/Beverly beherrscht hatte, durch jene monströse Geschmacksverirrung aus Beton und Neon verdrängt worden war, die unter dem Namen Beverly Center bekannt war. Zu bedauerlich, dass Philip K. Dick Selbstmord begangen hatte. Noch ein paar Jahre, und er hätte zusehen können, wie die Science-Fiction-Landschaft seines Blade Runner Wirklichkeit wurde. Oder vielleicht hatte er es ja kommen sehen.
    Früher war die Ponyreitbahn ein beliebtes Ziel für Wochenendausflüge von geschiedenen Vätern mit ihren Kindern gewesen. Das Hot Dog Heaven hatte gute Geschäfte gemacht, indem es einsame Männer mit Nitritpökelsalz versorgt hatte, während sie rauchend an der niedrigen Einzäunung gestanden und ihrem Nachwuchs beim Reiten zugesehen hatten. Wo waren die Daddys nach ihrer Vertreibung hingegangen? Sicherlich nicht ins Einkaufszentrum. Das Letzte, was die Kleinen dort wollten, war, dass ihre Eltern ihnen zusahen.
    Milo bestellte zwei Jumbo-Hotdogs mit Chili und Käse und ich eine Bockwurst. Dazu nahmen wir zwei große Colas. Wir setzten uns und ließen den Verkehrslärm an unsere Ohren branden. Die Mittagessenszeit war vorüber, aber fürs Abendessen war es noch zu früh, und so waren nur zwei weitere Tische besetzt, mit einer Zeitung lesenden alten Frau und einem großen, langhaarigen jungen Burschen in blauer Krankenhauskleidung, wahrscheinlich ein AiP vom Cedars-Sinai-Hospital.
    Milo verschlang den ersten Chili-Hotdog, ohne zum Luftholen abzusetzen. Nachdem er mit den Fingern auch das letzte Fitzelchen Käse vom Wachspapier abgezupft hatte, goss er sich Cola in den Schlund und machte sich an den zweiten Hotdog. Auch den verputzte er restlos, dann sprang er auf und kaufte sich noch einen dritten. Meine Wurst schmeckte nicht schlecht, aber ich musste mir alle Mühe geben, so zu tun, als sei ich hungrig.
    Milo zählte gerade sein Wechselgeld, als ein bronzefarbener Jeep Cherokee vorfuhr und vor meinem Seville parkte. Ein Mann stieg aus und ging an mir vorbei zum Tresen. Schwarzer Anzug, perlgraues Hemd, rußfarbene Krawatte. Er lächelte. Das war es, was mich auf ihn aufmerksam werden ließ. Ein breites, strahlendes Lächeln, das jede Menge Zähne sehen ließ, es sah aus, als hätte er soeben eine ganz fantastische Nachricht bekommen. Ich sah zu, wie er mit großen Schritten zum Tresen ging und direkt hinter Milo stehen blieb. Er wippte auf den Zehen. Seine schwarzen Wildlederschuhe hatten fünf Zentimeter hohe Absätze, aber auch ohne sie hätte er gut einsachtzig gemessen. Er stand ganz dicht hinter Milo und wippte unermüdlich. Milo schien ihn nicht zu bemerken. Irgendetwas veranlasste mich, meine Wurst Wurst sein zu lassen und die beiden genau im Auge zu behalten.
    Smiley war um die dreißig; dunkles, schulterlanges Haar, mit Gel nach hinten gekämmt. Massige Kieferknochen, markante Nase, goldbrauner Teint. Der Anzug war gut geschnitten, italienisch, oder jedenfalls pseudoitalienisch und er sah nagelneu aus, ebenso wie die Wildlederschuhe. Das graue Hemd war aus Satinseide, die Krawatte ein wuchtiges

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