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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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Erhabenheit.
    All dies – diese menschlichen Enttäuschungen – zwingt uns zu hinterfragen, was es denn tatsächlich auf sich hat mit der Vorstellung, die man sich gemeinhin von der Inspiration macht. Es scheint, daß dieser zu einem Geschäftsmann bestimmte Körper und diese zu einem gebildeten Menschen bestimmte Seele, wenn sie allein sind, geheimnisvoll mit etwas Innerem ausgestattet werden, das ihnen äußerlich ist, und daß nicht sie sprechen, sondern es in ihnen spricht und ihnen eine Stimme sagt, was Lüge wäre, wenn sie es sagten.
    Dies sind zufällige, unnütze Spekulationen. Es tut mir fast leid, sie angestellt zu haben. Sie mindern weder das Format dieses Mannes, noch steigern sie die Ausdruckskraft seines Körpers. Im Grunde aber ändert nichts etwas, und was wir sagen oder tun, streift nur die Gipfel der Berge, in deren Tälern die Dinge schlafen.

359
    Keiner versteht den anderen. Wir sind – wie der Dichter sagte – Inseln im Meer des Lebens; zwischen uns das Wasser, das uns bestimmt und trennt. Sosehr eine Seele sich auch bemühen mag, zu wissen, was eine andere Seele ist, sie wird nur wissen, was ihr das Wort vermittelt: einen undeutlichen Schatten auf dem Grund ihres Verstehens.
    Ich liebe Äußerungen, denn nichts weiß ich von dem, was sie ausdrücken. Wie der Meister der Heiligen Marta begnüge ich mich mit dem, was man mir gibt. Ich sehe, und das ist viel. Wer vermag schon zu verstehen?
    Vielleicht ist es diese Skepsis gegenüber unserem Verstehen, die mich einen Baum und ein Gesicht, ein Plakat und ein Lächeln auf ein und dieselbe Weise betrachten läßt. (Alles ist natürlich, alles ist künstlich, alles ist gleich.) Alles, was ich sehe, ist für mich das Nur-Sichtbare, sei es der tiefblaue, weißgrüne Himmel des anbrechenden Morgens, sei es die Grimasse, zu der sich das Gesicht von einem verzieht, der in Gegenwart anderer dem Tod eines geliebten Menschen beiwohnt.
    Hampelmänner, Bilder, Buchseiten, wir betrachten sie und drehen sie um. Mein Herz hängt nicht an ihnen, und meine Aufmerksamkeit fast noch weniger, sie geht über sie hinweg wie eine Fliege über ein Blatt Papier.
    Weiß ich denn, ob ich fühle, denke, existiere? Nichts weiß ich: Ich kenne nur ein objektives Schema von Farben, Formen und Äußerungen, deren schwankender Spiegel ich bin, zu verkaufen, nutzlos.

360
    Verglichen mit den einfachen, bodenständigen Menschen, die wie selbstverständlich durch die Straßen des Lebens gehen, geradlinig auf ein Ziel zu, legen diese Kaffeehausgestalten ein Gebaren an den Tag, das sich nur mit dem von Kobolden aus Träumen beschreiben und vergleichen läßt: Gestalten, die weder beängstigend noch quälend sind, doch wenn wir uns beim Erwachen an sie erinnern, einen unerklärlich widerlichen Nachgeschmack hinterlassen, ein Gefühl der Abscheu gegen etwas, das nicht unmittelbar, aber dennoch mit ihnen zu tun hat.
    Ich sehe die wirklichen Genies und Sieger – die großen wie die kleinen – durch die Nacht der Dinge segeln, nicht wissend, was ihre stolzen Buge durchpflügen in dieser Sargassosee aus Verpackungsstroh und Korkresten.
    Dort sammelt sich alles, wie auf dem Boden des Hofes, auf den mein Büro geht; durch die vergitterten Fenster des Lagerraums gleicht er einer Gefängniszelle für Unrat.

361
    Die Suche nach der Wahrheit – sei es die subjektive Wahrheit der Überzeugung, die objektive Wahrheit der Wirklichkeit oder die gesellschaftliche Wahrheit des Geldes und der Macht –, sie zeichnet den verdient Suchenden stets aus mit dem Preis der letzten Erkenntnis ihrer Nichtexistenz. Das große Los des Lebens fällt nur denen zu, die es auf gut Glück kaufen.
    Der Wert der Kunst besteht darin, daß sie uns aus dem Hier holt.

362
    Jeder Verstoß gegen die Gesetze der Moral ist rechtmäßig, wenn er im Namen eines höheren moralischen Gesetzes geschieht. Stiehlt jemand aus Hunger ein Brot, ist dies unentschuldbar. Stiehlt aber ein Künstler zehntausend Escudos, um zwei Jahre ungestört leben zu können, ist dies entschuldbar, sofern sein Werk einen zivilisatorischen Zweck verfolgt; ist es aber ein rein ästhetisches Werk, gilt dieses Argument nicht.

363
    Wir können nicht lieben, mein Sohn. Die Liebe ist die fleischlichste aller Illusionen. Darum höre: Lieben heißt besitzen. Und was besitzt der Liebende? Einen Körper? Um ihn zu besitzen, müßten wir uns seine Substanz aneignen, ihn verschlingen, ihn uns einverleiben … Und wäre diese Unmöglichkeit möglich,

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