Das Buch der Vampire 02 - Schwärzeste Nacht
war es, wozu sie geboren war.
Wieder musste sie stehen bleiben, um ihre Fühler nach den Untoten auszustrecken. Vielleicht hatten sie noch keine Möglichkeit gefunden, ins Innere zu gelangen. Sie mussten darauf warten, von jemandem eingeladen zu werden; selbst wenn die Eingangstür offen stand, konnte ein Vampir ein Haus nicht betreten,
solange er nicht von jemandem mit Befugnis dazu aufgefordert wurde.
Da sich eine solche Befugnis jedoch auch auf Personen wie Butler, Lakaien oder sogar Zofen erstrecken konnte, bot diese Voraussetzung nicht das Ausmaß an Schutz, das man erwarten oder sich erhoffen würde.
Und dann gab es auch noch das Amulett zu bedenken. Wer auch immer es verloren hatte, war zweifellos auch derjenige, der sie hereinbat.
Dann hörte sie es. Ein Klimpern, gefolgt von einem leisen, schabenden Geräusch aus der Bibliothek.
Die Bibliothek. In der sie George Starcasset zurückgelassen hatte!
Mit hämmerndem Herzen glitt Victoria hinter die hohe, dicke Säule am Fuß der Treppe. Sie legte die Wange gegen den hellen Putz und spähte aus dem Schatten durch die offene Zimmertür. War er noch immer dort? Bestimmt war er das... Er hatte tief und fest geschlafen, als sie gegangen war.
So sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte den Sessel, in dem sie ihn abgeladen hatte, nicht erkennen; er stand in einem dunklen Winkel, dem offenen Kamin zugekehrt. In seinem Schlummer wäre George hilflos jeder drohenden Gefahr ausgeliefert, aber falls er nicht schnarchte, würde er vielleicht unentdeckt bleiben.
Victoria sah eine Bewegung am Fenster und hielt den Atem an. Sie zählte sie. Vier. Vier Gestalten, die eine nach der anderen leise und ohne zu zögern durch ein geöffnetes Fenster geschlüpft kamen. Ihr Nacken war eisig. Es waren alles Vampire; sie konnte das schwache Glimmen von vier Augenpaaren sehen … Und dennoch waren sie ohne Einladung in das Haus eingedrungen.
Es bewegte sich sonst nichts in dem Raum... Entweder schlief George noch, oder er war nicht mehr da.
Die Vampire mussten schon zuvor auf Claythorne gewesen sein. Das war die einzige Erklärung, wie sie das Gebäude auf diese Weise hatten betreten können. Jemand hatte sie zu einem früheren Zeitpunkt hereingebeten, als sie in menschlicher Gestalt gewesen waren, und nun waren sie zurückgekommen... mit oder ohne Wissen der betreffenden Person.
Victoria wartete; sie beobachtete, wie sie sich mit Handzeichen und leise geflüsterten Worten verständigten, während sie inständig hoffte, dass sie den im Zwielicht kauernden Sessel mit George darin nicht entdecken würden. Als sie sich dann in Richtung Tür und weg von dem Sessel bewegten, überfiel sie immense Erleichterung gepaart mit aufgeregter Vorfreude.
Sie konnte es problemlos mit vieren von ihnen aufnehmen. Die Augen erwartungsvoll zusammengekniffen, schloss sie die Finger fester um den Pflock.
Doch als sie dann, nur ein kurzes Stück von Victorias Versteck entfernt, aus der Bibliothek kamen, sah sie ihre Gesichter, die brennenden Augen. Dies waren keine normalen Vampire mit blutroter Iris.
Zwei von ihnen hatten blassrubinfarbene Augen. Wächtervampire.
Die der anderen beiden waren von einem tiefen Purpurrot. Sie hatten lange Haare und trugen blitzende Schwerter. Imperialvampire.
Victoria schluckte; sie konnte ihre trockene Kehle förmlich knistern hören. Ihre Handflächen wurden feucht, und der Pflock verrutschte in ihrem Griff. Man konnte die Hierarchie eines Vampirs innerhalb seiner Rasse stets anhand seiner Augen
bestimmen. Die rosaäugigen Wächter, Liliths Elitegarde, waren durch ihre giftigen Bisse und ihre Fähigkeit, Sterbliche mühelos in ihren Bann zu ziehen, schon gefährlich genug, aber die Imperialvampire mit den magentaroten Augen waren die Mächtigsten unter den Untoten - mit Ausnahme von Lilith selbst, versteht sich. Die Imperialen führten ihre Schwerter wie ein zweites Paar Hände, und ihre Kraft und Schnelligkeit waren unermesslich. Sie konnten fliegen, wenn sie kämpften, und waren in der Lage, einem Menschen die Lebensenergie auszusaugen, ohne ihn zu berühren.
Das erste und bislang einzige Mal, dass sie mit Imperialvampiren zu tun gehabt hatte, war Max bei ihr gewesen. Es war beängstigend für sie gewesen, den Kampf damals zu beobachten … doch am Ende hatte Max gesiegt.
Aber heute Nacht war da kein Max - sie war auf sich allein gestellt.
Sie konnten in der Dunkelheit sehen - so wie alle Vampire - aber zum Glück waren sie nicht in der Lage, die Präsenz
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