Das Buch der Vampire 02 - Schwärzeste Nacht
später an ihre Route zu erinnern, bemühte sich ebenfalls nicht um ein Gespräch.
Dann endlich, nachdem sie wohl länger als eine Stunde über den dunklen Kanal geglitten waren, erreichten sie ihr Ziel.
Zumindest nahm Victoria das an, als die Gondel an einem finsteren Ufer anlegte.
»Nun kommen Sie schon«, forderte Alvisi sie mit angespannter Stimme auf. Er hievte sich aus dem Boot und zog sie dabei hinter sich her, ohne auch nur einen Funken des vornehmen Gehabes an den Tag zu legen wie zuvor in ihrer Villa. Sobald sie auf dem steinigen Strand standen, entzog Victoria sich seinem Griff - was nicht schwierig war, aber falls er ihre ungewöhnliche Kraft bemerkte, so sagte er zumindest nichts. Er hastete bereits einen Pfad entlang, den sie kaum sehen konnte. Sie warf einen Blick zurück zum Wasser und stellte fest, dass die Gondel mitsamt der kleinen Laterne abgelegt hatte und wieder den Kanal hinaufschipperte.
Sie hätte noch länger innegehalten, um ein Gefühl für die Dunkelheit und ihre Bewohner zu bekommen, aber Alvisi kam zu ihr zurück, um sie zu holen. »Mrs. Withers, folgen Sie mir.Wir müssen uns beeilen, sonst verriegeln sie die Türen.«
War sie nicht dafür hergekommen?
Sie drehte sich um und ging hinter ihm den düsteren Pfad entlang, zwischen Büschen und Sträuchern hindurch, die nach ihr griffen und an ihrer leichten Pelerine zerrten.
Dann endlich standen sie vor einer Holztür, die in ein eng von
Bäumen umstandenes Steinhaus eingelassen war. Wie es schien, hatten sie sich ihm von der Rückseite genähert. Es waren keine anderen Gebäude in Sicht und auch sonst nichts, das auf Zivilisation hinwies. Es war ein einsames Haus im finsteren Wald. Victoria konnte dank einer kleinen, von einer Eisenstange herabbaumelnden Laterne die Umrisse der grauen, schwarzen und braunen Steine der Außenmauer erkennen. Die Lampe war auf Kniehöhe angebracht und halb von Büschen verborgen, bis man fast vor ihr stand. Ganz offensichtlich ging die Tutela kein Risiko ein, was eine mögliche Entdeckung ihres Versammlungsortes betraf. Alvisi zog an dem langen Eisenriegel der Tür, und zu seiner unübersehbaren Erleichterung schwang sie leise auf. Ein roter Schein von innen verfärbte den sandigen, zertrampelten Untergrund neben der Laterne und verlieh der Tür und den Steinen einen warmen Schimmer.
Victoria wagte einen letzten raschen Blick zum Himmel. Inzwischen hatte es aufgeklart, und der Mond zeigte sich; es musste schon etwa Mitternacht sein. Sie folgte Alvisi ins Innere, wo ein hochgewachsener Mann, der wie für einen Opernbesuch gekleidet war, die Tür hinter ihnen schloss.
»Guten Abend, Madam, und herzlich willkommen«, begrüßte er sie auf Italienisch. Er schien auf etwas zu warten, und da fiel es Victoria wieder ein. Sie öffnete die Hand, um ihm das Tutela-Amulett zu zeigen, und er nickte zustimmend.
Als sie Alvisi einen Gang hinunter folgte, registrierte sie, dass ihrem Nacken zufolge keine Vampire in der Nähe waren.
In dem dämmrig beleuchteten Raum, den sie am Ende des Korridors betraten und der groß genug für einen Ballsaal war, jedoch nicht angemessen dekoriert, standen mehrere Dutzend Menschen in Gespräche vertieft.Victoria hatte bislang nicht bestimmen
können, in welcher Art von Gebäude sie sich befanden, aber es schien weder eine Villa noch sonst ein Wohnhaus zu sein. Die Innenwände waren aus denselben Steinen gefertigt wie die Außenmauern. Es gab keine Fenster - was nicht überraschte, da die Vampire es überhaupt nicht schätzen würden, wenn Sonnenlicht hereinfiele - und soweit sie feststellen konnte, nur eine Tür. Der Boden war mit Teppichen bedeckt, zwischen denen ein Untergrund aus Lehm und Steinen sichtbar wurde.
Überall im Raum verteilt standen Stühle und Bänke. Und auf der gegenüberliegenden Seite von der Stelle, wo sie und Alvisi eingetreten waren, hatte man eine schmale, hohe Estrade errichtet. Sie war gerade groß genug, dass ein langer Tisch und fünf Stühle darauf Platz fanden, und ließ Victoria an ein Theater oder eine Kirche denken... wenngleich das ein seltsamer Ort für ein Treffen von Vampirgünstlingen wäre.
Neugierig schlüpfte sie von ihrem Begleiter weg und in den vorderen Teil des Saals, denn sie war zu weit entfernt, um erkennen zu können, was noch auf dem Tisch war, außer den beiden großen, flachen Schalen - an jedem Ende eine -, in denen kleine Flammen glommen.
Der rote Lichtschein stammte von einem lodernden Feuer, das an einer Wand neben der
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