Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
weiteren Tag am Leben lassen würde, damit er ihrer Mutter den Hof machen konnte, so irrte er sich ganz gewaltig. »Lasst die Kutsche bitte warten.«
Sie schlüpfte davon, während der Rest einer nach dem anderen einstieg, wobei Lady Melly noch immer mit schriller Stimme ihrem Unmut über die Welt im Allgemeinen und ihre Tochter im Besonderen Luft machte. Sie hatte nicht sehen können, was mit den Vampiren geschehen war, denn als sie sich endlich aus diesem unglückseligen Busch befreit hatte, waren sie längst zu Staub zerfallen.
Victoria plante, die Unwissenheit ihrer Mutter zu vervollständigen, indem sie so bald wie möglich das goldene Pendel benutzte.
Aber zuvor musste sie sich noch um den Conte kümmern.
Es fiel ihr nicht schwer, Regalado aufzuspüren. Geleitet von dem Irrglauben, Victoria habe ihn einfach ziehen lassen - sozusagen als freien Untoten -, war er nicht weit in die Villa hineingegangen,
sondern beobachtete stattdessen durch ein Seitenfenster, wie Oliver den Damen in die Kutsche half.
»Neugier ist der Katze Tod«, bemerkte sie, als er sich zu ihr umdrehte. Dann stieß sie ihm den Pflock in die Brust. »Und die des Vampirs ebenfalls.« Er implodierte zu einem nicht besonders bemerkenswerten Aschehäuflein.
Um zu gewährleisten, dass sie alle sicher nach Hause zurückkehrten, zwängte Victoria sich zu Lady Winnie, ihrer schmollenden Mutter und einer verträumt dreinblickenden Nilly in die Kutsche.
Zwei der anderen Beinahe-Opfer - eine Miss Anne Malloren und eine Mrs. Stefania Faygan, beides Amerikanerinnen - stiegen ebenfalls mit ein. Ihr männlicher Begleiter zog es vor, zusammen mit Verbena und Oliver auf dem Kutschbock zu fahren, während Victoria eingezwängt zwischen einem Wust von Röcken saß und zur Zielscheibe der mörderischen Blicke ihrer Mutter wurde.
Doch da sich daran nun mal nichts ändern ließ, fand sie sich mit ihrer unbehaglichen und dennoch von unendlicher Erleichterung geprägten Rückfahrt zur Villa Gardella ab.Victoria hatte Oliver angewiesen, die drei zusätzlichen Passagiere zuvor zu ihren Quartieren zu bringen, deshalb würde ihr - zumindest bis sie die Kutsche verlassen hatten - die unvermeidliche Strafpredigt erspart bleiben.
Also entspannte sie sich ein klein wenig, nun da ihr Nacken wieder warm war und die Kutsche sie zügig von der Villa des Schreckens wegbrachte. Offensichtlich waren die Damen nicht gewillt, die Ereignisse des Abends zu erörtern, denn sie plauderten über dieses und jenes, so als würden sie gerade von
einem Theaterbesuch zurückkehren. Victoria glaubte, mit halbem Ohr gehört zu haben, wie die dunkelhaarige Miss Malloren irgendetwas über Schwimmen mit Haien sagte, doch musste das in einem Moment gewesen sein, als sie mit den Gedanken nicht ganz bei der Sache gewesen war; sie musste sie falsch verstanden haben. Ganz gewiss würde niemand etwas derart Verrücktes tun.
Andererseits … angesichts von Victorias eigener Profession war es am Ende vielleicht doch gar nicht so verrückt.
Die andere Frau, Mrs. Faygan, die ein bildhübsches roséfarbenes Kleid mit darauf abgestimmten rosaroten Perlen trug, schien sich dagegen für italienische Nudelgerichte zu begeistern.
Damit entfernte sich ihr Gespräch immer weiter von Vampiren, Pflöcken und grusligen Villen, bis zwischen den Damen schließlich eine hitzige Debatte über die Vorzüge von Cannoli im Vergleich zu englischen Zitronenbiskuits entbrannte.
Victoria lauschte der Unterhaltung mal mehr, mal weniger aufmerksam, dennoch realisierte sie erst, als ihre drei Gäste ausstiegen, dass sie etwas vergessen hatte.
Das Lederband mit dem kleineren Splitter lag noch immer irgendwo in den Gärten der Villa Palombara.
Kapitel 18
In welchem der Rubintiegel geöffnet wird
M ax schlüpfte aus seiner feuchten Kleidung und warf sie über die Stuhllehne. Sein Haar war noch immer so nass, dass es ihm an Gesicht und Hals klebte, aber zumindest geriet es ihm, seit er es geschnitten hatte, nicht mehr ständig in die Augen oder den Mund. Er fuhr sich mit den Fingern durch die wirren Locken und kämmte sie aus der Stirn und den Schläfen nach hinten.
Seine Rückkehr ins Konsilium hatte länger gedauert als geplant. Ursprünglich hatte er gehofft, anschließend wieder zur Villa zurücklaufen zu können, für den Fall, dass Victoria bei der Suche nach ihrer Mutter seine Hilfe benötigte. Doch da er die Aufzeichnungen des Alchimisten - oder worum auch immer es sich bei dem Papierbündel handeln mochte - bei
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