Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
fest, überraschend fest. Victoria war versucht, ihm einen Stoß zu versetzen, sodass er rücklings auf dem Steinboden landete und sich bei seinem Sturz hoffentlich den Kopf an einem der Tische anschlug, doch gleichzeitig stellte sie fest, dass sie den Blick nicht von seinen Lippen nehmen konnte. Sie waren so nah, und sie erinnerte sich nur allzu gut daran, wie es sich anfühlte, wenn sie sinnlich über ihre glitten. Warm und flink, raffiniert und verführerisch.
Vielleicht wäre es sogar von Vorteil, ihn gewähren zu lassen. Vorteilhaft und voller Wonne … anschließend könnten sie dann wieder zu den wichtigeren Themen übergehen.
Aber offensichtlich hatte Sebastian ausnahmsweise andere Pläne, denn der aufreizende Ausdruck verschwand von seinem Gesicht, und er wurde plötzlich ganz ernst, als wäre ihm gerade etwas Wichtiges eingefallen. »Victoria, du musst sehr vorsichtig sein. Er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er dich für sich selbst will.« Sebastian blieb auf Abstand, während er sprach; allerdings machte er den Eindruck, als könnte sich das jeden Moment ändern.
Zuerst wusste Victoria nicht, wen er meinte. Sie nahm den Blick von seinem Mund und sah ihm in die Augen.
»Beauregard«, erklärte Sebastian mit gepresster Stimme, der
nichts mehr von ihrer typischen Leichtigkeit anhaftete. »Ich spreche von Beauregard. Obwohl man sich erzählt, dass du keine Zeit verloren hast, dich auch mit harmloseren Männern einzulassen. Wie zum Beispiel diesem rothaarigen Schotten.«
Nun versetzte sie ihm doch noch einen Stoß gegen seine muskulöse Brust; Sebastian ließ sie los und stolperte einen Schritt nach hinten, blieb dabei jedoch mühelos auf den Beinen. »Du mimst tatsächlich den eifersüchtigen Liebhaber. Wie kann das sein, Sebastian, nachdem du in all den Monaten doch gar nicht mehr mein Liebhaber warst? Nachdem sich die Sache zwischen uns am Ende doch nur als kurzes Strohfeuer entpuppt hat?«
Die Verärgerung in seinen Zügen wich einem wissenden Lächeln. »Also hast du mich tatsächlich vermisst.« Triumph spiegelte sich in seinen bernsteinfarbenen Augen wider, als er jetzt zum dritten Mal nach ihr fasste.
Dieses Mal ließ sie zu, dass er sie an sich drückte, sodass sie Brust an Brust, Schenkel an Schenkel aneinandergeschmiegt dastanden und selbst ihre Füße sich berührten. Wärme überzog ihre Haut und wanderte von ihrem Gesicht zu ihrem Hals und dann weiter nach unten. Es war gut, ihn wieder zu spüren, die Hitze und kraftvolle Umarmung eines männlichen Körpers zu fühlen.
»Wohl kaum.« Sie wussten beide, dass sie log.
Sie hätte ihn nicht vermissen sollen - sie konnte ihm nicht vertrauen, denn seine Loyalität gehörte Beauregard -, aber sie hatte ihn vermisst, und sie vertraute ihm … in gewisser Hinsicht. Es war zwar nicht so, als ob er je ein Ersatz sein konnte für Phillip und die Liebe und Wertschätzung, die sie für so kurze Zeit geteilt hatten, aber sie war eben auch nur ein Mensch.
Und sie war eine Frau. Eine Frau, die verhätschelt von Melly und ihren Freundinnen aufgewachsen war, eine Frau, die gerne berührt wurde und es genoss, daran erinnert zu werden, dass sie begehrenswert war. Eine Frau, die eine Wahl getroffen hatte und dadurch von normalen gesellschaftlichen Konventionen isoliert worden war. Was sie zu einem Außenseiter machte.
Sebastian weckte Gefühle in ihr. Er hatte Freude in ein Leben gebracht, das einst einfach, heiter und angepasst gewesen war, bevor Nüchternheit, Dunkelheit und Gewalt darin Einzug gehalten hatten. Mit seinem unwiderstehlichen Charme und seinen frechen Neckereien brachte er nicht nur ihr Herz dazu, schneller zu schlagen, sondern er hatte ihren Körper auch aus seiner durch Phillips Tod ausgelösten kummervollen Starre befreit. Selbst jetzt spürte Victoria, als sie sich ansahen, Schmetterlinge im Bauch, denn sie wusste, dass noch mehr folgen würde. Und sie war bereit dafür. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen, als sie sich vorstellte, wie seine Hände über ihre nackte Haut streicheln würden …
»Glaube mir,Victoria, ich wollte mich nicht von dir fernhalten.« Sein Mund schwebte vor ihrem, um seine Lippen spielte ein verheißungsvolles Lächeln, und der Nelkenduft seines Atems strich wie eine sanfte Brise über ihre Haut. »Ich wollte dich lediglich beschützen.«
»Beschützen?« Sie legte den Kopf leicht in den Nacken, um ihm direkt in die Augen zu sehen, und bemerkte sehr wohl, dass ihre eigenen schmal waren vor Ärger.
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