Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
»Und vor was genau wolltest du mich beschützen? Vor den Vampiren, die ich jede Nacht jage? Das ist eine armselige Ausrede, mit der du ein
weiteres Mal den falschen Ton anschlägst. Kannst du nicht ausnahmsweise einmal ehrlich sein?«
»Vor Beauregard.« Seine Stimme klang nun eisig, und sein eben noch weicher, verführerischer Blick war hart geworden. »Du hast ja keine Ahnung -«
»Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»Ich bin mir deiner venatorischen Fähigkeiten vollkommen bewusst, nicht zuletzt, da du sie mir ja bei jeder Gelegenheit in Erinnerung rufst - zusammen mit meinen eigenen Unzulänglichkeiten.«
»Ich bin nun mal, wer ich bin. Erinnere dich an das, was ich dir schon letzten Herbst gesagt habe: Ich habe meine Wahl getroffen, und wenn du es nicht ertragen kannst, dass ich stärker und schneller bin als du, dass ich nicht wie andere Frauen bin , die erwarten, dass die Männer dieser Erde sich um sie kümmern, dann verschwinde aus meinem Leben, Sebastian. Ich brauche dich nicht mehr, als du mich brauchst.«
Plötzlich merkte sie, dass sie weinte. Lieber Himmel, sie weinte! Ihr, der Illa Gardella, die noch nicht einmal vor Entsetzen gekeucht hatte, als ihre Tante vor ihren Augen getötet worden war, strömten die Tränen über die Wangen.
Jetzt war sie wirklich zornig. Sie war wütend auf sich selbst, auf Sebastian, auf die Entscheidungen, die sie getroffen, und die Verluste, die sie erlitten hatte. Deshalb riss sie sich von ihm los und drehte sich weg, um sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Irgendetwas. Ganz egal, was.
Das perlende Wasser des Brunnens zog ihren Blick an, dann hypnotisierte es sie mit seinem Rhythmus, seiner wunderschönen Klarheit und tröstlichen Heiligkeit.
Und dann kam ihr plötzlich ein Verdacht … eine Erkenntnis dämmerte herauf, die tief in ihr verschüttet gewesen sein musste. Victoria drehte sich auf den Absätzen zu Sebastian herum und sah, wie er die Arme ausstreckte, um sie wieder an sich zu ziehen.
Sie ließ es bereitwillig zu, dann küsste sie ihn mit all der Angst und Wut, die sich in ihr angestaut hatten, seit sie diese fünf Träume gehabt hatte, durch die sie zum Venator berufen worden war.
Ihre Münder spielten so gierig miteinander, als wären sie plötzlich von einer großen Last befreit. Sebastian schob die Hände hinter sie, um ihre Hüften kraftvoll an seine zu pressen, dann zeichnete er mit einer Hand den Verlauf ihrer Wirbelsäule nach und drängte sie noch enger an sich, während seine Lippen von ihrem Mund zu ihrer Kinnlinie wanderten und er ihren Namen an ihrer Haut flüsterte.
Victoria fühlte, wie sein nasses Hemd ihre Hände befeuchtete, wie das warme, feine Leinen seine Brust modellierte. Dann spürte sie die direkte Hitze seines Körpers unter ihren Fingerspitzen, als sie sie unter den Saum gleiten ließ.
Sebastian stöhnte und versuchte, sich ihr sanft zu entziehen, so wie er es jedes Mal in der Vergangenheit getan hatte, aber sie war zu schnell für ihn. Sie fand, wonach sie gesucht hatte.
Er zuckte zusammen und trat einen Schritt zurück. Mit reservierter, unbeweglicher Miene sah er sie wortlos an.
Victoria ließ die Hände sinken. »Willst du mir nicht verraten, weshalb du eine vis bulla an deinem Nabel trägst? Oder werde ich sowieso nur weitere Lügen und Ausflüchte zu hören bekommen?«
Zu seiner Ehre musste gesagt werden, dass er nur einen winzigen Moment zögerte. »Ich bin dazu geboren, eine zu tragen. Genau wie du,Victoria.«
Ihre Kehle kratzte, als sie zu schlucken versuchte. »Meinst du wirklich, ich würde dir abnehmen, dass jemand wie du - ein Mann, der sich weigert, Vampire zu töten - ein Venator ist?«
»Frag Pesaro, wenn du mir nicht glaubst. Er kennt die Wahrheit, genau wie Wayren.«
Dann stimmte es also. Max würde sie nicht anlügen, und Sebastian musste klar sein, dass sie ihn fragen würde.
Victoria ließ sich auf den Stuhl sinken, über dem sein Mantel hing. Sie hatte mit so vielen Fragen, einem derartigen Ansturm von Emotionen zu kämpfen, dass sie nicht wusste, wo sie beginnen sollte.
Er musste erkannt haben, was in ihr vorging, denn er wirkte mit einem Mal so kleinlaut und betreten - was wirklich uncharakteristisch für den sonst so forschen Sebastian war -, dass sie beinahe weich geworden wäre. Er sah aus wie ein kleiner Junge, den man zu seiner Beschämung dabei ertappt hatte, wie er Kekse aus der Küche stibitzte.
Fast hätte sie gelächelt, doch ihre wachsende Enttäuschung und Verärgerung
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