Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
Sebastian? Für die, die gewinnt?«
Er sah aus, als hätte sie ihn mit der gebündelten Kraft ihrer beiden vis bullae in den Magen geboxt. »Victoria, du kannst nicht -«
»Und ob ich -«
Ein plötzliches Geräusch in ihrem Rücken ließ Victoria herumfahren, und sie entdeckte Zavier, der offensichtlich gerade aus dem hinteren Teil des Konsiliums herbeigerannt gekommen war und nun abrupt stehen blieb. »Wie konntest du nur?« Sein Gesicht war eine anklagende Maske, und er atmete schwer. »Victoria, weißt du, was du getan hast? Du magst Illa Gardella sein, aber das hier ist falsch.«
Mit zornrotem Gesicht und geballten Fäusten kam er auf sie und Sebastian zu. Er hielt dabei einen Pflock in der Hand. »Zuerst küsst du den Mann, und dann bringst du ihn auch noch in unser Heiligtum. Jetzt sind wir enttarnt!«
»Hör auf damit, Zavier«, fuhr Victoria ihn an. Der Aufruhr aus Wut und Enttäuschung, den Sebastian entfacht hatte, tobte noch immer in ihr. Sie trat zwischen ihren Geliebten - ihren einstigen Geliebten - und den aufgebrachten Schotten. »Du weißt nicht, wovon du redest.«
Doch als sie ihm nun in die Augen sah, fand sie hauptsächlich Schmerz in ihnen, und mit einem Mal begriff sie, wie das
Ganze auf ihn wirken musste: wie ein romantisches Stelldichein am geheimsten aller Orte. Als würde sie die Sicherheit des Konsiliums und seine Mysterien wegen einer Liebelei in Gefahr bringen.
Es fiel ihr schwer, nicht wütend auf Zavier zu werden, weil er das Schlimmste von ihr dachte, doch schließlich gelang es ihr, die Regung - zumindest für den Moment - beiseitezuschieben. Ihre Stimme wurde etwas freundlicher, wenngleich noch immer eine stählerne Note in ihr mitklang. »Es ist nicht so, wie es scheint.«
Dann roch sie das Blut und bemerkte den Fleck an Zaviers Oberkörper.
Noch bevor sie etwas sagen konnte, ertönte ein tiefes, wummerndes Geräusch, das dem Läuten einer Glocke ähnelte. Dumpf und unheilvoll dröhnte es durch den Raum, und als Victoria sich umdrehte, sah sie die große Glocke, die hoch in einer Ecke hing. Sie war ihr nie zuvor aufgefallen, doch nun schien ihr Geläut anzuschwellen und das ganze Gewölbe zu erfüllen. Der tiefe Ton hallte durch ihre Glieder, die Vibration war so stark, dass alles ins Schwingen geriet, selbst die Feder eines altmodischen Gänsekiels, der auf einem der Tische erzitterte. Dann wurde sie durch das Geräusch hastiger Schritte abgelenkt, als Ilias, dicht gefolgt von Wayren, deren Kleid hinter ihr auf dem Boden schleifte, in den Saal gestürmt kam.
»Was ist das?«
»Die Warnglocke. Jemand hat über uns in der Kirche den Alarm ausgelöst«, erklärte Wayren, sobald sie sie erreicht hatte. »Es sind Unbefugte ins Konsilium eingedrungen.«
Victoria taumelte zurück, als wäre sie geschlagen worden, dann drehte sie sich fassungslos zu Sebastian um. »Du!«
»Ich schwöre, dass ich es nicht war, Victoria! Ich schwöre es!« Er wirkte ebenso perplex wie sie, als er sich nun an Wayren wandte, die offensichtlich kein bisschen überrascht war, ihn hier zu sehen. »Es war -«
Wayren streckte den Arm aus und fasste nach der Stelle zwischen seinem Hals und seiner Schulter. »Später, Sebastian. Wir werden später reden.« Sie drückte die Hand zusammen, seine Augen rollten nach hinten, und er stürzte zu Boden. Allem Anschein nach traute Wayren ihm ebenso wenig.
Victoria sah sie scharf an - Wayren hatte das mit Sebastian die ganze Zeit über gewusst! Warum hatte sie es ihr nie gesagt?
»Die Vampire haben uns noch nicht aufgespürt, aber in den umliegenden Straßen und Gebäuden schleichen Untote und Sterbliche herum. Irgendetwas hat sie hierher gelockt.« Es war Zavier, der gerade mit Ilias sprach, so als wäre Victoria gar nicht anwesend. Als er sie dann schließlich doch noch ansah, war sein sonst so joviales Gesicht düster und vorwurfsvoll. »Wir müssen sie vertreiben.«
Er steuerte bereits auf den Alkoven zu, der zu der Wendeltreppe führte, die Victoria erst dreißig Minuten zuvor heruntergekommen war, als sie ihn zurückrief.
»Nein, Zavier, warte. Wir dürfen diesen Ausgang nicht nehmen. Wenn wir plötzlich aus der Kirche kommen, werden sie unseren Geheimgang finden.«
Ilias hielt rund um die Uhr verborgene Wachen in der kleinen Kirche und der umliegenden Umgebung postiert. Bei jeder Schicht tat jeweils ein Venator zusammen mit zwei Komitatoren
Dienst - Lehrern wie Kritanu, die die Vampirjäger in Kampfkunsttechniken unterrichteten. Falls wirklich Vampire
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