Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
bedachte er sie aber noch mit einem Blick, der besagte: Sieh dich vor.
Bewaffnet mit Weihwasser schloss Brim sich ihm an, und Victoria, Sebastian und Michalas begannen, sich langsam von dem Busch und dem Tor zu entfernen, während sie gegen die Mächte des Bösen kämpften.
Victoria wusste nicht, welcher Art das Wahrnehmungsvermögen des Bösen war, aber zumindest die herabstoßenden Schatten schienen in der Lage zu sein, zu erkennen, wo sie angreifen mussten. Wenn sie deren Aufmerksamkeit an sich binden könnten, würden Brim und Max den Friedhof mit Wayren unbehelligt verlassen können.
Max sah Victoria hinterher, als sie davonschlüpfte. Ihr Gesicht war mit Blut beschmiert, und Haare klebten an den blutigen Stellen. Im Rücken war ihr Hemd dunkel von noch mehr Blut und hing in Fetzen herunter.
Er riss den Blick von Victoria los und richtete ihn auf Wayren, die sich mehr als einmal in seinen Armen gerührt hatte. Dann sah er Brim an, der neben ihm hockte und zum ersten Mal keine Lust mehr auf einen Kampf zu haben schien.
Wayren musste aus der Reichweite der Dämonen, die ihr alle Macht und Kraft raubten, geschafft werden, ehe es zu spät war. Es bestand immer noch die Möglichkeit, sie zu retten; denn es waren wieder Lebenszeichen bei ihr zu erkennen, nachdem sie sich nicht mehr im Mausoleum befand.
Wenn Victorias Plan gelang, die Dämonen durch einen Kampf abzulenken, würden sie trotzdem nur ganz wenig Zeit haben, um zu den auf der anderen Seite des hängenden Tores wartenden Pferden zu hetzen.
Max presste die Lippen zusammen. Er wusste, warum sie es ihm aufgetragen hatte, Wayren wegzubringen. Er war der Schwächste in der Gruppe, weil er keinen Schutz mehr durch die vis bulla genoss.
Früher hätte Victoria nie versucht, ihn zu beschützen.
Und dann hatte sie ihm noch Brim zur Seite gestellt, der nicht nur die Gegenwart von Vampiren spürte, sondern auch von Dämonen.
Welch eine Kriegerin — und Anführerin — war sie geworden.
Das Ganze versetzte ihm einen Stich. Wut, Verzweiflung. Selbstmitleid.
Dann merkte er, dass der richtige Moment gekommen war. Er warf der Frau mit der tödlichen Klinge und der unpraktischen Masse langer, dunkler Haare einen letzten Blick zu, ehe er unter dem Busch hervorgekrabbelt kam, Wayren an die Brust gedrückt. Ohne auf die schmerzhaften Kratzer auf seinem Rücken zu achten, rannte er mit gesenktem Kopf und Wayren mit seinem Körper schützend Richtung Tor, während die dämonischen Kreaturen sich immer wieder herabstürzten.
Brim war dicht hinter ihm, und obwohl Max es nicht wagte, über die Schulter nach hinten zu schauen, während er auf das Tor zu stolperte, wusste er, dass der große schwarze Mann die ganze Zeit mit seinem Schwert ausholte und zustieß, während er ihnen den Weg mit Weihwasser frei machte.
Das Eisentor schimmerte im Licht des Mondes und der Sterne, die jetzt, wo sie nicht mehr vom nebligen schwarzen Rauch verhüllt wurden, heller strahlten. Mit einem Satz sprang er darüber hinweg und nutzte dabei die Qigong-Fähigkeiten, die Kritanu ihn gelehrt hatte.
Sobald Max über das schief hängende Tor hinweg war, hievte er Wayren sofort auf sein Pferd und löste die Zügel, die um einen Ast gewickelt waren. Ein schneller Blick nach hinten sagte ihm, dass auch Brim es bis zum Tor geschafft hatte. Doch gerade als er sich in den Sattel schwang, musste er voller Entsetzen mit ansehen, wie Brim, der bereits einen Fuß auf das Gitter gesetzt hatte, plötzlich von den schwarzen Schatten umzingelt wurde. Mit schimmernden Klauen und hellroten Augen stürzten sie sich auf ihn, sodass der Mann in die Knie ging und von den Schatten verschluckt wurde.
Allmächtiger. Noch während er alles beobachtete, wurde ihm klar, dass er nicht zurück konnte; denn er musste Wayren in Sicherheit bringen. Mit jeder Faser seines Seins wollte er zurück, flehte er förmlich darum, zurückzugehen und zu helfen... Brim zu retten... und Victoria. Victoria.
Sie würde die Nächste sein.
Trotzdem wusste er, was er zu tun hatte. Er hatte Victoria häufig genug Vorträge darüber gehalten.
Du darfst nicht mehr nur an dich selbst denken, an das, was du brauchst und willst. Du musst die weitreichenden Folgen deines Handelns erkennen.
Und das war der Grund, warum er das Pferd herumreißen, ihm die Fersen in die Flanken drücken und Hals über Kopf zurück in die Stadt reiten würde, zurück zu dem Haus, in dem Kritanu wartete... und wo Wayren in Sicherheit sein würde.
Und das war auch
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