Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
aufwiesen und mit einem großen, verzierten R signiert waren.
Bei diesen Seiten hielt Sebastian inne. Seine Hände verharrten darüber und blätterten nicht weiter, während er den Drang verspürte zu lesen.
Er bemerkte, dass Wayren ihn interessiert beobachtete, und sah Verständnis in ihrem Blick, als er aufschaute. »Rosamundes Texte. Natürlich. Hättest du gern eine Abschrift davon?«, fragte sie.
Sebastian sah, wie Wayren in ihren immer präsenten, zerschlissenen Lederbeutel griff und darin herumwühlte. Schließlich zog sie einen Stapel Papiere heraus. Diese waren nicht ganz so alt wie die Blätter, die auf seinem Schoss lagen, doch nicht weniger mürbe und nur von einem Lederriemen zusammengehalten.
»Vielleicht findest du das, wonach du suchst, hier drin«, meinte sie und reichte ihm den Stapel.
Sebastian schloss vorsichtig die Bibel und griff nach den Papieren. Als er dabei Wayrens Hand berührte, strömte eine beruhigende Wärme durch seinen Arm und breitete sich in ihm aus.
»Ja, vielleicht.«
Victoria schlief in der Nacht, ehe sie nach Prag aufbrachen, und in den darauf folgenden, weil es nicht anders ging, allein in ihrem Bett.
Die Reise ließ nur wenig Zeit fürs Schlafen übrig. Sobald sie den Kanal überquert hatten, saßen sie, Max und Sebastian von Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang im Sattel. Wayren ritt nicht mit. Sie hatte ihre eigene Art zu reisen und würde sich Brim und Michalas in Rom anschließen, um sich dann mit den anderen in Prag zu treffen.
Im Grunde war Victoria erleichtert, dass Wayren nicht mit ihnen reiste. Zu wissen, dass sie schon einmal von Dämonen angegriffen worden war, beunruhigte sie, und deshalb hatte sie ein besseres Gefühl, wenn Wayren sich in der Sicherheit des Konsiliums aufhielt.
»Aber ich werde nach Prag kommen, um bei Max' Prüfung dabei zu sein«, erklärte die blonde Frau Victoria, nachdem sie übereingekommen waren, dass sie sich auf schnellstem Wege nach Rom begab. »Ich muss da sein, um sicherzustellen, dass alles gut geht, und um dafür zu sorgen, dass er auch gut vorbereitet ist.«
Victoria hatte weder das Verlangen noch einen Grund, sich darüber mit ihr zu streiten. Sie war sich sicher, dass Wayren jetzt und auch bis zu ihrem Treffen in Prag nichts mehr passieren würde, weil sie sich vor Dämonen in Acht nahm. Sie wollte, dass Max für die Prüfung, bei der es auf Leben und Tod ging, gut vorbereitet war, und sie schwankte zwischen dem Wunsch, ihn anzuflehen, sie nicht auf sich zu nehmen, und dem Verständnis dafür, warum er es tun musste. Er hatte das Gefühl, dass er sie... und auch sich selbst... dann besser beschützen konnte. Über dieses Denken oder Gefühl konnte sie mit ihm nicht streiten.
Und seit ihrer Unterhaltung in der Kutsche in London hatten sie ohnehin nicht mehr unter vier Augen miteinander reden können. Seine finstere Ausstrahlung und die unterschwellige Wut machten sie unsicher... und ängstlich.
Es ging nicht darum, dass er sich zu wenig Sorgen um sie machte oder sie zu wenig liebte.
Das Problem war, dass er sich zu viele Sorgen um sie machte und sie zu sehr liebte. So sehr, dass er vielleicht in Versuchung geraten könnte, seine Pflicht zu vernachlässigen, wenn ihr Leben auf dem Spiel stand.
Endlich begriff sie, warum er sich dagegen wehrte, mit ihr zusammen zu sein; sie zu einem Teil seines Lebens zu machen. Er hatte Angst, dass sie Einfluss auf seine Entscheidungen, seine Ehre, seine Pflicht nehmen würde.
Und vielleicht... vielleicht sollte auch sie sich darüber Gedanken machen und zögern.
Aber das konnte sie nicht. Sie hatte gefunden, was sie wollte, und wenn sie schon ein Leben als Illa Gardella führen musste -ein Leben voller Opfer und Gefahren, Pflichten und Notwendigkeiten —, dann wollte sie wenigstens, dass Max ein Teil davon war.
In der Nacht, ehe sie nach Prag aufbrachen, hatte sie noch einmal einen kurzen Moment des Alleinseins mit Max im kalari-Zimmer gehabt, nachdem sie Sebastian und Wayren im Salon verlassen hatte.
In dem großen, mit Matten ausgelegten Raum gab es viele Waffen, aber auch Polster und Kissen. Kritanu benutzte sie als Schutz gegen Schläge und Tritte, wenn er mit Victoria kalaripa-yattu trainierte oder die chinesische Kampfkunst Qigong... jene Fähigkeit, sich halb fliegend, halb gleitend durch den Raum zu bewegen, die Max fast in Vollendung beherrschte.
Victoria und Max hatten die Kissenberge vor ein paar Wochen für etwas ganz anderes benutzt.
Als sie die Tür öffnete,
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