Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
während der letzten zehn Tage ihrer Reise wenig geschlafen; deshalb war sie müde. Sie hatte sich ein Bad bestellt und es in einem abgeschlossenen Raum genossen. Schmutz und Dreck von mehr als einer Woche hatte sie sich endlich herunterwaschen können und war dabei nicht nur auf ein kleines Becken angewiesen gewesen.
Das Fenster ihres Zimmers wies nach Osten, wo die Sonne in ein paar Stunden aufgehen würde, und blickte auf die Teynkirche, welche sich auf einem der Stadthügel befand. Sie merkte, dass ihr Blick immer wieder in diese Richtung schweifte, und musste ihn von dem Gebäude losreißen. Mehr als einmal.
Vielleicht sollte sie versuchen zu schlafen, besonders weil sie sich gleich bei Tagesanbruch auf die Suche nach Katerina begeben würden. Aber irgendetwas bereitete ihr Sorge, nagte an ihrem Unterbewusstsein.
Sie machte sich keine Gedanken darüber, mit Antonin in einem Zimmer zu schlafen — er war von Kopf bis Fuß fest verschnürt und am Pfosten eines schweren Bettes festgebunden. Der würde nirgendwo hingehen, außer sie band ihn los.
Was wahrscheinlich der Grund war, warum er nicht aufhörte zu reden. »Sie ist ein bisschen verrückt, wie Vioget weiß.«
Victoria warf Sebastian einen Blick zu, doch der zuckte noch nicht einmal mit der Wimper. Er griff nach seinem Wein und trank aus dem Becher, ohne den Blick von den Papieren zu heben.
»Und den Ring wird sie auch nicht abnehmen, denn sie hofft, ihn irgendwann gegen ihren Ehemann eintauschen zu können.«
»Ist ihr Ehemann tot?«, fragte Victoria, gegen ihren Willen nun doch neugierig.
»Er war einer der Architekten, die vor fünfhundert Jahren versuchten, die Steinbrücke zu reparieren. Sie brach zusammen, nachdem der König den Beichtvater der Königin in die Moldau hatte werfen lassen, weil der Priester ihm nicht sagen wollte, ob die Königin ihn betrog oder nicht. Manche meinten sogar, dafür müsste er heiliggesprochen werden.«
»Dann hat Katerinas Ehemann also die Brücke repariert?«
»Er hat es versucht. Sie brach immer wieder zusammen. Luzifer hatte sich über die Ermordung des Priesters gefreut und machte sich einen Spaß daraus, die Brücke jedes Mal wieder einstürzen zu lassen, wenn man dachte, sie würde halten. Schließlich ging Burghardt, Katerinas Ehemann, einen Handel mit ihm ein und erklärte sich einverstanden, Luzifer die Seele des ersten Lebewesens, welches die Brücke nach ihrer Reparatur überquerte, zu geben.«
»Er gab ihm die Seele seiner Frau?«, fragte Victoria. Kein Wunder, dass die Untote verrückt geworden war.
»Nicht absichtlich.« Antonin klang verärgert. Vielleicht hatte sie ihm die Pointe geraubt. »Er stellte die Brücke fertig und sagte den Arbeitern, sie sollten einen Hahn laufen lassen, damit der die Brücke als Erster überquerte. Aber Luzifer hatte Beauregard mit einer Nachricht zu Katerina geschickt, dass ihr Mann einen Unfall gehabt hätte. Sie stürzte aus dem Haus und rannte über die Brücke, womit sie die Erste war, die die fertig gestellte Brücke überquerte. So verlor sie ihre Seele, und Luzifer gab sie an Beauregard weiter, damit dieser sie zu einem seiner Geschöpfe machte. Was er natürlich tat.«
Das war also der Grund, warum Katerina Sebastian nicht sonderlich mochte. Sein Großvater hatte sie mit einer List dazu gebracht, ein Vampir zu werden. »Aber was wurde aus Burghardt?«
»Sie wandelte ihn in einen Vampir um, aber vor ein paar Jahren wurde er umgebracht.« Antonins Blick wanderte zu Sebastian hinüber. »Von einem jungen Venator, der seinen ersten Untoten pfählte.«
In dem Moment schaute Sebastian auf und strich sich das Haar aus der Stirn. »Warum pfählst du ihn nicht endlich, Victoria? Er fängt an, mich zu nerven.«
»Und damit ist ihr Ehemann nun bis in alle Ewigkeit zur Hölle verdammt; meiner Ansicht nach ist das natürlich gar nicht so übel, aber offensichtlich hatte Katerina vorgehabt, ihn deutlich länger am Leben zu erhalten.«
»Sie glaubt, der Ring wird ihn ihr zurückbringen?«, fragte Victoria. »Wie denn?«
Antonin deutete ein Schulterzucken an, soweit das in seinem verschnürten Zustand überhaupt ging. »Ich sagte doch, dass sie verrückt ist. Sie meint, mit irgendeinem göttlichen oder heiligen Wesen einen Handel abschließen zu können. Sie gibt den Ring heraus und befreit damit ihren Gatten aus der Hölle.«
»Es gibt keine Möglichkeit, die Seele eines Untoten aus der Hölle zu befreien«, ertönte plötzlich Sebastians Stimme. Seine Miene wirkte
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